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Oman oder oh, Mann?

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(opa) Das letzte Testspiel unserer Nationalmannschaft, wie man sie seit neuestem wieder nennen darf, im Oman gegen den Oman war für den einen oder anderen hinsichtlich des Dargebotenen geeignet, eher genervt “Oh, Mann” zu schimpfen. Nicht nur, dass die sportliche Leistung eher mau war, auch die Stimmung kam beim deutschen Publikum nicht so an. Was mal wieder Beweis ist, dass die Zuschauer in den Stadien beinahe existenziell für die gute Vermarktbarkeit des Produkts Fußball sind. Doch bei Fragen rund um die Vermarktbarkeit und die Finanzzahlen der Vereine, schwingt doch oft im Subtext die Frage mit, was das noch mit dem Sport zu tun hat, der die meisten von uns schon zu Kinderzeiten begeistert haben dürfte, als man sich mit seinen Freunden zum “Knödeln” verabredet hat und wenn mal kein Ball verfügbar war, half zur Not ein Trinkpäckchen.

Auch wenn damals schon der Profisport bei weitem nicht so unbeschwert war wie das kindliche “Knödeln”, von Zuständen wie heute war man doch weit entfernt. Playstation & Co. gab es nicht, auf der man vernünftig Fußball spielen konnte, auf den seinerzeit hochmodernen Atari-Konsolen liefen Space Invaders oder Pacman in einfachster Grafik statt wie heute ein algoritmusgesteuert-alleskommentierender Wolf Fuß High-End Grafik zu bieten, die Kinder vom Rausgehen und echtem Fußballspiel abhält. Unsere Bälle waren aus Leder, viele schon abgewetzt und sogen sich bei Regen oder nassem Rassen schön voll, dass man eigentlich einen Helm brauchte, wenn man zum Kopfball ging, während heute die helikopterelterngeplagten Kinder bereits ins MRT geschoben werden, wenn sie einen der leichten Plastikbälle abbekommen haben.

So etwas wie Merchandising gab es nicht oder nur dann, wenn Pepe Mager seinen Wagen aufsperrte. Ansonsten bat man Oma, den Schal in den Farben des Lieblingsvereins zu stricken. Und bei Nationalmannschaftsspielen traute sich damals noch keiner, sich mit Deutschlandfahne zu schmücken oder gar die Hymne mitzusingen, das Fremdeln ließ erst mit dem Sommermärchen spürbar nach und ist seitdem ein klein wenig unbeschwerter, wenngleich auch weitgehend auf den Fußball beschränkt, aber wir Deutschen haben es ja mit der Nation schon historisch nicht so wie andere Nationen und es ja zwischendurch auch reichlich übertrieben. Doch zurück zum Fußball.

Man aß Unmengen Duplo und Hanuta, um an die in ihnen befindlichen Sammelbildchen zu kommen, die man in ein Album klebte und doppelte tauschte. Und die Nationalmannschaft spielte vor den Turnieren eine Schallplatte (die älteren unter uns erinnern sich, was das war) ein, begleitet von Sängern wie Michael Schanze oder Udo Jürgens wurden bis heute in Kellerbars beliebte Lieder eingesungen. Vor Turnieren fieberte man auf die Spiele hin und wenn die Nationalmannschaft spielte, waren die Straßen wie leergefegt. Mit der Fußball WM 2006 kam dann noch das “Public Viewing” dazu, wenngleich die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs eine andere war, war es doch aufregend, mit hunderten oder tausenden anderen Begeisterten unter freiem Himmel die Spiele zu verfolgen und die Erfolge zu feiern.

Man freute sich schon aufs nächste Turnier. Friede, Freude, Nationalmannschaft – Glückseligkeit allüberall. Bis dann 2010 die WM nach Katar vergeben wurde. Nach wohin? Wo soll da gespielt werden? Wird da überhaupt gespielt? Ist das nicht zu heiß? Die werden doch nicht die Fußball-WM, unsere Fußball WM in den Winter verlegen? Public Vieweing auf den Weihnachtsmärkten bei Glühwein und Grünkohl? Ob die noch alle Latten am Zaun haben, hab ich gefragt! Immer, wenn man denkt, auch korrupte Verbände hätten noch etwas wie Restempathie oder Anstand belehren die einen eines besseren.

Die Maschinerie Fußball erzeugt Geld und braucht vor allem Geld. Viel Geld. Unvorstellbar viel Geld. 3,6 Mrd. € Gewinn machte die FIFA mit der letzten Fußball WM in Russland. Damit kann man schon mal Berge versetzen – oder eben die Fußball WM zum Wintersport erklären. Es ist und bleibt pervers, dieses Turnier abzuhalten und diese Grenze muss auch bei denen spürbar ankommen, die das Ganze entschieden haben und Verantwortung dafür tragen, dass das nicht noch einmal geschieht. Da FIFA Boss Infantino mittlerweile aber seinen Wohnsitz in Katar hat, ist er dort nicht nur vor der westlichen Strafverfolgung sicher, sondern sicher bereits auf der Suche nach dem nächsten Schurkenstaat, an den man die WM meistbietend verhökern kann. In Pjönjang oder Teheran geht man sicher bereitwillig ans Telefon.

Umso froher sollte man sein, dass der ganze in China hergestellte und seelenlose Merchandisingmüll zu der diesjährigen WM unverkauft zu bleiben scheint. Wenn in der Vorwoche des Turniers der DFB schon Rabatt auf aktuelle Trikots geben muss, darf einem das auch eine gewisse Schadenfreude bereiten. Schließlich haben auch deutsche Funktionäre des einstmals stolzen DFB dafür gesorgt, dass die WM zur WM der Schande wird und es war derselbe Verband, der uns jahrelang zu Fans von “Der Mannschaft” umerziehen wollte. Doch diese Niederlage der Verbände wird am Ende kein Triumph der Fans sein, denn schon bei der nächsten WM Vergabe ist das alles Makulatur.

Das Rad wird sich weiter drehen, das Rennen werden in Zukunft multinationale Bewerber machen, die – ganz im Sinne der Nachhaltigkeit – Teams und Fans zu Reisen während der “Balkan”-Spiele zwingen, aber daran haben wir als Fans uns ja längst gewöhnt, dass Spieler und Funktionäre ganz selbstverständlich im Privatjet anreisen . Die Unanständigkeit und Maßlosigkeit reicht offensichtlich kaum noch aus, um sich zu empören. Über 400 Privatjets sind neulich erst nach Kairo geflogen, um dort zu beschließen, dass wir zukünftig mehr Fahrrad fahren sollen. Dieses Framework des Wahnsinns macht eben auch eine WM in Katar möglich. Und viele Menschen müde, mich eingeschlossen.

Und so flieht man gedanklich in die Nostalgie, schwärmt davon, wie schön früher alles war und vergisst dabei, wie langweilig der Standfußball von Overath, Beckenbauer und Netzer war. Oman, äh, oh, Mann, bin ich alt geworden.

HaHoHe, Euer Opa

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