(opa) Hätte ich früher gewusst, dass morgen die Anteile von 777 in New York unter den Hammer kommen, hätte ich meine Reisepläne ein klein wenig anders arrangiert, um beim Termin anwesend zu sein. Für einen Euro hätte man ja vielleicht ein Gebot hinterlegen können. Und auch sonst fühle ich mich ein klein wenig verfolgt. Während ich in New York war, wurde unsere ehemalige Außenministerin zur Vositzenden der UN-Vollversammlung gewählt und heute in Washington stolperte ich vorm weißen Haus beinahe über den Kanzler beim Antrittsbesuch, der sicher genau wie ich nicht wegen Hertha in die USA gekommen ist. Und wer weiß, welche Auflagen mit der Versteigerung damit noch verbunden sind, schließlich hatte 777 ja auch zugesagt, negatives Eigenkapital auszugleichen, spätestens da käme der eigene Geldbeutel doch in Nöte.
Ob sich morgen überhaupt ein Käufer findet oder es noch eine Überraschung gibt und Hertha ein Angebot zum Rückkauf der Anteile vorlegt? Alles Fragen, für die sich außerhalb des Herthakosmos allerdings nur wenige interessieren dürften. Zu tief ist mittlerweile die Regalhöhe unseres Herzensvereins. Während die Glitzerwelt des Fußballs dieser Tage mit Champions League Finale und Nations League um den Planeten Mammon kreist, droht Hertha die Verfestigung in den Niederungen des zweitklassigen Fußballs. Umso wichtiger war, dass man erneut drei Jahre Luft zum Atmen gefunden hat, um die Anleihe zurückzuzahlen und dabei die Zinslast fast halbiert hat. Angesichts der Tatsache, dass die Anleihe überwiegend in der Hand von institutionellen Anlegern sein soll, war allerdings fast damit zu rechnen, dass man da lieber nochmal Zinsen kassiert als einen Totalverlust des Assets in Kauf nimmt.
Die Lizenzerteilung wurde damit zur Formsache, wirklich Luft zum Atmen entsteht dadurch nicht, denn ohne Aufstieg und Verkauf von Tafelsilber wird man auch im Laufe der nächsten drei Jahre den benötigten Betrag nicht aufbringen können. Durch den Abstieg haben allerdings viele Talente der Akademie den Rücken gekehrt, so dass ein zweiter Maza kaum zu erwarten sein dürfte. Insofern bleibt nur die Hoffnung, dass man mit einem anderen Einkauf ähnlich durchschlagenden Erfolg hat, also erst sportliche Rendite kassiert und anschließend Reibach macht, indem man ihn an Interessenten teuer verkauft, auch wenn man sich sportlich damit schwächt.
Alles wir immer also, nur mit weniger Glanz. Wenn ein Spieler wie Reese der einzige ist, der so etwas wie Glamour verströmt, dann darf es auch nicht wundern, wenn es Hertha Schwierigkeiten bereitet, neue Sponsoren an Land zu ziehen. Gut, damit ist Hertha nicht allein, auch im Nahen Osten (Köpenick) sucht man verzweifelt nach Sponsoren und hat nun auch Sportfive eingeschaltet. Im Brustsponsoringbereich scheint so etwas wie Sättigung eingesetzt zu haben. Irgendwas namhaftes will sich außerhalb der “Großen” Vereine nicht mehr finden lassen. Die Sponsoren wissen halt auch, dass es nur zweimal im Jahr gegen Bayern und den BVB geht, der Rest der Saison dann aber Dorfvereine wie Heidenheim, Hoffenheim, Augsburg, Wolfsburg oder Mainz geht. Und in Liga zwei gegen Elversberg, Paderborn, Magdeburg, Münster und Bielefeld. Wer will dafür schon VIP Tickets?
Im TV hingegen scheint noch “Musike” drin zu sein, zumindest, so lange sich genügend finden, die TV Abos abschließen, die schon bald nochmal deutlich teurer werden dürften als die derzeit aufgerufenen mindestens rund 70-80 € für die Kombi aus DAZN und sky. Die beiden Sender halten gemeinsam mit den TV Rechten des öffentlichen Rundfunks, die aus unseren zwangsweise zu zahlenden Gebühren auch nochmal Geld in den Ofen schaufeln, in dem das für Fußballprofis und deren Entourage wärmende Feuer lodert wie der ewig brennende Stapel Altreifen bei den Simpsons in Springfield.
Apropos loderndes Feuer: Der neue Ausrüster ist noch nicht vorgestellt, bahnt sich da etwa auch noch eine Wendung an? Sind Herthaspieler nächste Saison daran zu erkennen, dass sie mit nacktem Oberkörper spielen? Und was machen die Fans dann? Lasst uns diesen Gedanken lieber schnell verdrängen, bevor dann auch alle Fans oberkörperfrei den Blick auf nackte Tatsachen freigeben, die doch meist besser verborgen bleiben. Nicht nur angesichts der Vorlaufzeiten für ein neues Trikot wundert es aber schon, dass nichts zu lesen oder hören ist, zum Teil wird ja schon ein Jahr im voraus bekanntgegeben, wenn ein Ausrüsterwechsel ansteht. Und auch ein neues Trikot wird ja irgendwann meist noch zum Saisonende vorgestellt. Still ruht der See, auf dem die Hertha gerade schaukelt. Oder nur die Ruhe vor dem Sturm? Oder kauft der neue Ausrüster morgen unsere Hertha und keiner soll es vorher ahnen?
Stellen wir die Gedanken etwas beiseite und beschäftigen uns mit den wenigen Transfergerüchten, die es gibt. Auf Abgangsseite ist der See noch stiller als beim Ausrüsterthema. Dabei sind einige Leihspieler dringend von der Payroll zu bekommen, die noch zu besseren Zeiten ihre Verträge bekamen und nun nicht mehr ins Portfolio passen. Und auf der Zugangsseite ist außer Seguin ebenfalls nichts zu hören. In 18 Tagen ist Trainingsauftakt und weitere 18 Tage später geht es ins Trainingslager. Zwar muss man ein wenig in der Lage leben und von der Hand in den Mund, weshalb Neuzugänge wohl erst realsiert werden können, wenn die alten Spieler weg sind, aber die zwangsläufige Folge wird sein, dass man unabgestimmter in die Saison starten dürfte als dies möglich wäre.
Unabgestimmt sit aber etwas, worin wir eine gewisse Routine entwickelt haben dürften. Schließlich hat man bei Hertha schon seit Jahren oft auf den letzten Drücker am Kader gebastelt, bis sich erst die Transferbalken in den sozialen Netzwerken und später das Zusammenspiel der Mannschaft verklemmt und verkantet hatten. Schwer zu sagen, ob man das als gutes, schlechtes oder überhaupt als Omen betrachten kann.
Vom Omen zum Amen ist nur ein Buchstabe Unterschied und wo wir gerade beim religiösen sind, fällt mir ein, dass ich die nächste Etappe meines Roadtrips planen muss, die mich zu den Amish People führen wird. Gottesfürchtige, teildeutschsprachige Menschen, die in einer Zeit stehengeblieben zu sein scheinen, in der Hertha gegründet wurde. Ich war vor rund 40 Jahren schon einmal bei den Amish und das einzige, was ich erwarte, ist, dass sich nichts geändert hat. Genau wie meine Zuneigung zu Hertha.
HaHoHe, Euer Opa