Veröffentlicht am Kategorien 1. Bundesliga, 2022, Allgemein, Mitgliederversammlung, Transfers

Habemus Bernstein

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(opa) Die gestrige Wahl wird sicher in die Geschichtsbücher des Fußballs eingehen. Erstmals wird ein Verein von jemandem geführt, der in der Kurve sozialisiert wurde und der diese lange Zeit als “Capo” anführte. Das Team Bernstein kam jedenfalls gestern aus dem Feiern und Schulterklopfen nicht heraus, war es doch gelungen, nichts weniger als die Führung des Vereins zu übernehmen. Dass das kontrovers diskutiert wird, war absehbar. Veränderungen dieser Art immer entwickeln immer Diskussionsbedarf. Die Gewählten werden nun an ihren Taten zu messen sein und es wird spannend, wie schnell auch dort die normative Kraft des Faktischen anfangen wird zu wirken.

An den Rahmenbedingungen hat sich durch die gestrige Wahl nämlich nichts geändert. Hertha hat nach wie vor trotz 374 Mio. € Spritze ein finanzielles Problem. Nicht nur ist der Verlustvortrag riesig, sondern auch die Liquidität mal wieder angespannt, was weniger an fehlenden einnahmen, sondern vor allem an zu hohen Ausgaben liegen dürfte, allen voran ein der abgelieferten Qualität entsprechend zu teurer Spielerkader. Die kolportierten Summen sind geeignet, einen immer noch sprachlos zu machen und sich zu fragen, wer das genehmigt hat und da sind wir erneut bei denen, die kürzlich zurückgetreten sind. Nun haben andere die Chance, es besser zu machen und man darf gespannt sein, wie sie es tun werden und mit welchem Ergebnis.

Es wird der Kultur im Verein vielleicht gut tun, wenn dieser von Menschen aus der Mitte geführt wird, die zu Fanthemen eine gänzlich andere Einstellung haben als die bisherige Vereinsführung, die gern mal herumblaffte und der man einen Hang zum protzigen Zigarrerauchen im VIP Bereich nachsagte. Das wird der Binnenatmosphäre gut tun und Hertha hoffentlich fannäher machen. Der Begriff der “Herthafamilie” sollte greifbarer und erlebbarer werden. Fehlgriffe wie eine neue Einlaufmusik oder peinliche Slogans dürften jedenfalls der Vergangenheit angehören.

Dass die Machtübernahme mit dem von einigen als Makel betrachteten “nur” knapp über 50 % gelang, ist übrigens kaum vergleichbar mit der letzten Wiederwahl des Vorgängers, der zwar ein ähnliches Ergebnis, aber dieses schließlich ohne Gegenkandidaten erreichte. Es macht die Wahl auch nicht als illegitim zu betrachten, wenn man sich im Vorfeld organisiert und Allianzen geschmiedet hat. Ich hatte gestern ja schon im Vorfeld der Wahlen über den Gewinner “alte Seilschaften” berichtet. Wenn man jedoch ehrlich ist, wird man zugeben müssen, dass man eine solche Wahl eben nicht ohne Seilschaften gewinnt.

Der Versuch des Aufsichtsrats, durch Hinterzimmerentscheidungen und Klüngelei einen Wunschkandidaten durchzubringen, ist gescheitert und vielleicht tut genau das unserem Verein und dem inneren Frieden gut, dass mit solchen Dingen Schluss ist, auch wenn zu befürchten ist, dass es nun neue Hinterzimmer gibt, deren Ergebnis halt nur smarter moderiert wird. Ich jedenfalls wünsche dem neuen Präsidenten, seinem Vize und dem ergänzten Präsidium gutes Gelingen. Es werden zwei spannende Jahre, nicht nur sportlich, sondern vor allem hinsichtlich der Binnenkultur.

Dazu zählt auch, die Entscheidungsprozesse neu zu gestalten. Online-MVs gab es ja schon zu Coronazeiten und es wäre natürlich wünschenswert, wenn auch die, die an einem Präsenzbesuch gehindert sind wie Exilherthaner am Willensbildungsprozess teilnehmen könnten. Nicht wenige dürfte sich gestern im City Cube an den Pool oder in die klimatisierten Räume daheim gesehnt haben und angesichts der Tatsache, dass Onlinekonferenzen heutzutage nicht nur absolut üblich, sondern bei vielen auch bereits der Standard sind, sollte es zukünftig Lösungen geben. Von einer ebenfalls diskutierten Präsenzpflicht hingegen halte ich wenig.

Besonders spannend wird zu beobachten sein, wie sich das Verhältnis zum Investor entwickelt, der sich gestern ja bereits geäußert hat. Wobei auch dieser dem Vernehmen nach mit finanziellen Problemen zu kämpfen hat, weshalb eine erneute Finanzspritze seitens der Tennor Holding kaum zu erwarten sein dürfte. Das wäre unter einem Präsidenten Steffel auch nicht zu erwarten gewesen, um mal möglichen Dolchstoßlegenden vorzubeugen. Auch umstrittene Personalien wie der umtriebige Paul Keuter werden sicher vor einem anderen Licht betrachtet als bisher.

Von den 100 Tagen, die man Neulingen in vergleichbaren Ämtern gibt, sind nur noch 99 übrig und es ist so viel zu tun in nächster Zeit, dass ich allen Beteiligten gutes Gelingen wünsche.

HaHoHe, Euer Opa

P.S.: Wie ist denn Euer Stimmungbild? Die gestrige Umfrage war ja von den Abständen her ähnlich wie das spätere Ergebnis. Wie beurteilt ihr das heute?

Die Wahl von Kay Bernstein zum Präsidenten von Hertha BSC...

  • ...finde ich absolut schrecklich (32%, 279 Votes)
  • ...finde ich eher nicht so gut (30%, 262 Votes)
  • ...finde ich sehr gut (18%, 152 Votes)
  • ...finde ich gut (17%, 145 Votes)
  • ...juckt mich nicht (3%, 28 Votes)

Total Voters: 866

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