(opa) In wenigen Tagen wird gewählt und bei Hertha versucht man hinter und zum Teil vor den Kulissen eine Welt vorzugaukeln, die es ohnehin nicht gibt. Den Zusammenhalt, den der Aufsichtsrat beschwört, gab es bei Hertha wann genau schon einmal? Letztlich erinnert vieles ein wenig wie beim Großwesir Isnogud, jeder will Kalif anstelle des Kalifen werden. Da ziehen Kandidaten die Kandidatur zurück, die für einen Neuanfang werben, um einen Kandidaten zu werben, der denselben eine Art Integration in die Zukunft anbietet, die schon in der Vergangenheit einen Neuanfang eher verhindert haben. Andererseits steht diese Koalition für ein gewisses Maß an Beständigkeit, auch wenn bei Hertha wohl niemand ein beständiges “weiter so” haben möchte. Die Angst vor allzu viel Veränderung dürfte eine nicht unwichtige Rolle spielen. Die Tatsache, dass ein abgehalfterter Lokalpolitiker, den in seiner eigenen Partei niemand mehr in einem Amt sehen möchte gegen einen Kandidaten aus der Ultraszene antritt und beide die einzigen Bewerber sind, sollte vielen zu denken geben, was das über die Attraktivität dieses Amts aussagt.
Völlig ausgeblendet wird auch die (wenn auch nicht sonderlich wahrscheinliche) Möglichkeit, dass am Sonntag keiner der beiden verbliebenen Kandidaten die erforderliche Mehrheit erreicht und gem. Satzung neue Kandidaten her müssen. Wie dem auch sei, die nächsten Tage werden spannend bei Hertha und letztlich kann man das ja auch als gesundes Zeichen von funktionierender Vereinsdemokratie sehen, wenn mehr als ein Kandidat und Konzept zur Wahl steht. Ich selbst werde mich mit einer Wahlempfehlung genauso zurückhalten wie mit meiner eigenen Entscheidung, zumal ich selbst noch nicht einmal weiß, ob ich überhaupt an der Wahl teilnehmen kann, weil mich am Sonntagvormittag eines meiner Ehrenämter voll in Beschlag nimmt. Daher wird es von mir auch keinen Liveticker geben können.
Ihr habt in den letzten Tagen ja zudem schon fleißig diskutiert und viele gute Argumente zusammengetragen. Die Wahl des kleineren Übels ist häufig das, was in demokratischen Prozessen zur Wahl steht, aber immerhin hat man eine Wahl, auch die, jemanden nicht zu wählen oder dessen Wahl abzulehnen. Dass bei Hertha nach der Wahl Ruhe einkehrt, dürfte ohnehin eher Ausdruck eines nicht realisierbaren Wunschdenkens sein, zu fragil ist das Framework, in dem man sich bewegt. Die Zahlen sind weiterhin schlecht, Hertha gibt mehr Geld aus als man einnimmt, teure Spieler müssen von der Payroll, bevor man neue verpflichten und einbauen kann, die dann hoffentlich besser einschlagen als die bisher von Bobic und seinem Staff verpflichteten Protagonisten.
Dagegen hat man Kevin Prince Boateng einen weiteren Jahresvertrag gegeben, womit rund eine der vielen Millionen an Spielerbudget bereits verplant sein dürfte, welches zusätzlich durch die Abfindungen belastet werden dürfte, die man denen zahlt, die man nicht mehr hier haben will, neben einigen Spielern erhält ja auch Pal Dardai oder Zecke Neuendorf eine entsprechende Abfindung. Positive Zahlen dürften auch am Ende der kommenden Saison kaum zu erwarten sein. Im Gegensatz zu den Erklärungen, weshalb das angeblich alternativlos war und man sich in einem Übergangsjahr befände. Alles wie immer also, nur teurer? Der neue Finanzchef ist schon vor Amtsantritt kaum zu beneiden, denn unabhängig vom Ausgang der Präsidentschaftswahlen dürfte kaum frisches Kapital zu erwarten sein.
Weder wird von Tennor frisches Geld zu erwarten sein, die gerade selbst genug damit zu tun haben, ihre Forderungen bedienen zu können noch dürfte nach der öffentlichen Schlammschlacht der letzten Monate andere Investoren geneigt sein, bei Hertha einzusteigen. Insofern ist der Weg, mit billigeren Spielern in der Bundesliga zu bleiben, tatsächlich weitgehend alternativlos sein. Anderswo funktioniert das durchaus, die Frage ist, ob und wann das bei Hertha funktioniert, wo sich doch immer einer findet, der das gerade gebotene als hauptstadtunwürdig bezeichnet. Und so findet sich eben immer auch ein Nukleus, an dem sich die nächste Intrige entzünden kann.
Da die am kommenden Sonntag gewählten nur bis zum Ende der aktuellen Amtszeit 2024 gewählt werden, dürfte sich das unterlegene Lager also kaum einordnen, sondern nur Anlauf für den nächsten Versuch nehmen. Alles wie immer also.
HaHoHe, Euer Opa