Veröffentlicht am Kategorien 1. Bundesliga, 2022, Allgemein

“Auf der schwäbsche Eisebahne…

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(opa) …gibt’s gar viele Haltstatione” heißt es im Volkslied und wer genau hingehört hat, weiß, dass zu diesen Haltestellen weder Berlin im Allgemeinen noch im besonderen der Prenzlauer Berg gehört, sondern Stuttgart, Ulm, Biberach, Mekkebeure und Durlesbach. Daher sollte der Stuttgarter Zug am Sonntag hier auch “Endstatione” haben und ohne Halt den Weg zurück ins Schwabenländle finden. Wenn schon die letzte schwäbische Mannschaft ihre drei Punkte an Hertha abgegeben hat, kann sich der VfB aus dem Stuttgarter Kessel da gern einreihen, zumal das “Big Points” im Abstiegskampf gegen einen direkten Konkurrenten wären, um mal den Begriff des Sechspunktespiels zu vermeiden, in dem es ja doch nur drei zu verteilen gibt.

Dabei ist das Schwabenland, dessen Grenzen sich ähnlich wie andere nicht so ganz genau ziehen lassen, durchaus eine Reise wert. Es geht beschaulich zu, die Menschen sind meist freundlich, es ist größtenteils blitzsauber, die Küche hat schon einen durchaus französischen Einschlag und der Schwarzwald ist ein imposantes Naturschauspiel, wenngleich aus ihm heraus wie aus so vielen Gegenden unseres Landes mangels Mobilfunkversorgung kein Livestreaming möglich ist. Auf meinen regelmäßigen geschäftlichen Fahrten zwischen dem Großraum Stuttgart und Freudenstadt könnte ich da mein Leid laut klagen wie die Vögel in der Frühjahrsbrunst vor sich hin pfeifen, dass man die Fenster schließen muss. Wobei, wenn man kein Netz hat, stören die Vögel am anderen Ende der Leitung auch niemanden.

Wer sich an dieser Stelle fragt, was das alles mit Hertha zu tun hat, greift die gestern bereits diskutierte Frage auf, wie es in einer der existenziellsten Krisen des Vereins möglich ist, dass das kaum jemanden wirklich zu berühren scheint. Jeder Erklärungsversuch scheint irgendwie nicht wirklich zu greifen. Allgemeine Fußballmüdigkeit kann es kaum sein, wenn man sieht, dass 30.000 Frankfurter aus dem Camp Nou ein Freudenhaus gemacht haben oder wer sich zurückerinnert, dass wir vor wenigen Wochen beim Derby ein ausverkauftes und stimmungsvolles Oly erlebt haben.

Hertha muss in der größten Not schon Freikarten verschenken. Jedes Mitglied kriegt 2 Freikarten, jeder Dauerkarteninhaber eine. So lange der Vorrat reicht, versteht sich, denn ins Oly passen gar nicht so viele. Und dennoch muss man kein Prophet sein, wenn man vorhersagt, dass am Sonntag viele graue Plastiksitze zu sehen sein werden. Woran liegt das, war doch in den vergangenen Krisen durchaus Verlass auf das Publikum, man erinnere sich nur an die Aufholjägerzeit. Vielleicht stumpft man einfach ab, wenn man zu oft in der Krise ist? Ein Gewöhnungseffekt, der zum eigenen Seelenheil benötigt wird? Was immer es ist, es bleibt mysteriös.

Pandemie? Krieg? Unser Leben da draußen geht einigermaßen unverändert und weitgehend normal weiter. Man stöhnt über die hohen Preise (das hat man auch vorher schon), aber auch die können kaum ein Grund sein, auf das Erlebnis zu verzichten. Ach ja, das Stadion soll ja auch seinen Beitrag dazu leisten. Dazu trafen sich gestern einige Enthusiasten, die sich seit vielen Monaten ehrenamtlich für ein Herthastadion einsetzen und diskutierten über Größe, Standort und Ausstattung und waren sich vermutlich untereinander ziemlich einig, weil die Bereitschaft, sich mit den Argumenten, die gegen ein Stadion sprechen, zu beschäftigen, eher übersichtlich scheint.

Vielleicht sind es aber auch diese quälenden Debatten, die Menschen müde machen, sich aufzuraffen und ins Stadion zu gehen. Oder sollte es etwa an der dargebotenen Unterhaltung in Form des vorgetragenen Sports liegen, der sich trotz Rekordinvestitionen kaum mit den Mannschaften messen kann, die ihr Publikum regelmäßig begeistern?

Was immer es ist, eins steht fest: An der Schwäbsche Eisebahne hat es nicht gelegen. Trulla, trulla, trullala…

Ha Ho He, Euer Opa

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