(opa) Kurz vorm letzten Heimspiel darf ich auch noch ein vorletztes mal meinen Senf zum aktuellen Geschehen während der laufenden Spielzeit dazugeben. Das Münsterspiel war Murks, das Team scheint genauso wenig die letzte Luft zu haben wie die letzte Lust, zumal Hertha um die hölzerne Ananas spielt. So verständlich das sein mag, so bedenklich ist es hinsichtlich der an den Tag gelegten Moral, die ja schon unter Trainer Fiel nicht immer passte. Münster merkte man an, dass sie unbedingt gewinnen wollten, Hertha spielte über weite Phasen ideen- und vor allem lustlos. Und so geht’s wohl vielen Fans auch, denn die durchaus verdiente Niederlage wurde nicht nur weitgehend einfach hingenommen, sondern scheint auch als Impuls nicht mehr auszureichen, um in Debatten einzusteigen.
Dabei gäbe es eigentlich genügend Themen zu debattieren, die Lizenz scheint entgegen der breitbeinigen Ankündigungen doch nicht so sicher zu sein. Und das hemmt viele davon abhängende Themen wie Transfers oder die Kaderplanung. Die vorzeitige Demission von Neuendorf und Herrich, die beide dem Vernehmen nach nicht ganz freiwillig ihre Stühle räumen werden bzw. geräumt haben, geht einher mit der Tatsache, dass man ganz offensichtlich keinen Plan hatte, wem man zukünftig Gestaltungsmöglichkeiten einräumen möchte. Wenn beim Traditionsverein Hertha etwas Tradition hat, dann ist es wohl diese Form “chaotischer” Vereinsführung.
Auf sportlicher Seite steht wohl fest, dass man sich neben Maza auch von Scherhant und von Niederlechner verabschieden wird. Letzterer geht zu den Münchner Löwen, wo er sich zumindest von den Trikotfarben her nicht wird umstellen müssen. Gleichzeitig war zu vernehmen, dass der wie ein Löwe mit Gegner und eigenem Talent kämpfende Zeefuik nun um zwei Jahre verlängert haben soll. Da am 25.5. die Mitgliederversammlung ansteht und dort traditionell die Stimmung versucht wird zu manipulieren, indem man eine Verpflichtung eines populären Spielers oder Funktionärs bekanntgibt, darf man angesichts der auf social media gemachten Andeutungen von Reese davon ausgehen, dass dieser hier einen “Rentenvertrag” erhalten wird.
So wichtig er für Herthas Spiel ist, so abhängig ist man von ihm. Wenn es einem Gegner wie Münster gelingt, ihn aus dem Spiel zu nehmen, ist Hertha offensiv zahnlos. Und weil Maza im zentralen Mittelfeld als Drehscheibe fehlen wird, ist die Frage, wie gut Reese sich in Szene setzen kann, wenn dieser Vorlagengeber fehlt. Ob es dann gerechtfertigt ist, Reese nicht nur über unsere Verhältnisse zu bezahlen, sondern eben auch langfristig an der Backe zu haben, wird sicher Bestandteil von Diskussionen der nächsten Jahre sein. Oder Bestandteil eines Gerichtsverfahrens, falls man sich wie bei Bobic doch überwirft und dann der Meinung ist ausloten zu müssen, wie man auf diesem Weg vor vertraglichen Erfüllungspflichten drücken kann.
Dass dies einer der Gründe sein könnte, weshalb die Suche nach einem neuen Geschäftsführer oder Sportdirektor sich so schwierig gestaltet, soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Was Hertha tut, findet ja weitgehend öffentlich statt und es wäre naiv zu glauben, dass potentielle Kandidaten nicht auch Informationen einholen, wie sich der Verein in der Vergangenheit da so aufgestellt hat und dann strahlt Herthas Glanz dann doch deutlich stumpfer als es aus der Fanbrille erscheint, um nicht Billy Wilders “Hering im Mondenschein – er glänzt, aber er stinkt” Wortbild aus dem wunderbaren Berlinfilm “Eins, zwei, drei” bemühen zu müssen.
Wenn Hertha eine Lizenz erhält und wenn Hertha Reese halten kann, wird man nicht weiter hinsichtlich der sportlichen Ziele tiefstapeln können. Hertha braucht, auch hinsichtlich der finanziellen Gestaltungsmöglichkeiten, die Einnahmen aus dem Erstligafußball. Das wird und muss weiter das Ziel aller Bemühungen sein, wenn nicht eines Tages doch der Gang zum Insolvenzgericht angetreten werden soll. Nun mag man, sofern man dem Defätismus zugeneigt ist, sagen, dass es letztlich egal ist, ob man mit 50 oder mit 100 Millionen Euro Schulden in die Insolvenz geht, aber bei Hertha geht es ja nicht um irgendeine austauschbare Körperschaft, sondern um den Sehnsuchtsnukleus von zehntausenden Fans.
Und die letzte Luft? Falls diese eines Tages doch mal ausgehen sollte, bleibt den Fans ja noch das nach Pfefferminz schmeckende Berliner Traditionsgetränk aus dem Hause Schilkin. Oder eben das wunderbare Lied aus der Feder von Paul Lincke (Musik und der mit dem Ufer) und Heinrich Bolten-Baeckers (Text), wo es gleich zu Beginn heißt, als wäre es für Hertha komponiert worden:
„Berlin! Hör ich den Namen bloß, da muß vergnügt ich lachen!
Wie kann man da für wenig Moos den Dicken Wilhelm machen!“
Mit diesem Ohrwurm schicke ich Euch in die Restwoche und wünsche Euch allzeit die nötige Luft, das Dasein als Herthaner zu ertragen.
HaHoHe, Euer Opa