(opa) Die Luft scheint etwas raus zu sein. Nach unten brennt nichts mehr an, nach oben geht’s nur noch um die hölzerne Ananas, das ist ein Mix, bei dem dann Spiele wie das am Sonntag herauskommen. Kontrolliert, aber mit angezogener Handbremse spielte man das Ding runter. Hertha wollte nicht mehr, Fürth konnte nicht mehr. Kein Spiel, von dem man den Enkeln erzählen würde (es sei denn Kennys 120 Meter-Schuss wäre reingegangen). Und wie so oft im Leben stellt sich die Frage, ob das nun ein Platten ist oder ein Reifen im Notlauf. Wobei mir da der alte Blondinenwitz einfällt (wer sich dadurch “offended” fühlt, darf gern die Blondine durch Ostfriesen ersetzen, wer sich dadurch “offended” fühlt, sucht sich einfach eine andere Bezeichnung):
“Ruft eine Blondine beim ADAC an und sagt, dass ihr Reifen platt sei. Fragt der Mann an der Hotline: Der ganze Reifen? Sagt die Blondine: Nein, nur unten“
Apropos unten: Wie knapp Hertha da den Abstiegsrängen entkommen ist, zeigt ein Blick auf die Tabelle. Mit nur 5 Punkten weniger wäre man gemeinsam mit Schlacke, Braunschweig, Fürth, Ulm und Münster in der Todeszone. Und neun Punkte mehr würden zumindest noch die Chance auf den Wiederaufstieg am Leben erhalten. Neun Punkte sind drei Siege, die drin gewesen wären, wenn die Saison anders verlaufen wäre. Wenn sich ein Reese nicht in der Vorbereitung schwer verletzt hätte, wenn der Kader balancierter gewesen wäre, wenn sich früher die Defensive stabiler eingepegelt hätte, wenn Trainer Fiel die Balance für dieses Team gefunden hätte, wenn man ihn früher abgelöst hätte… Das Leben findet genau wie der Fußball nicht im Konjunktiv statt, aber es sei daran erinnert, dass die Saison als alles bewertet werden darf, aber nicht als Erfolg.
Folgerichtig wurde in der Chefetage aufgeräumt. Neuendorf weg, Herrich weg. Beide vermutlich mit freundlichem Nachdruck in Form einer finanziellen Zuwendung und gesichtswahrendem Abgang mit der Legende der Freiwilligkeit. Wie schon mein Vorgänger als Blogpapi zu berichten wusste: Niemand in diesem Business verzichtet auf ausgemachte Zahlungen. Oder fast niemand, denn ein leuchtendes Beispiel stand am Sonntag auf dem Platz und haute sich als einer der wenigen rein, als ginge es um noch etwas: Deyovaisio Zeefuik, mit dem man nunmehr versuchen soll, eine vertragliche Lösung zu finden, dass er in Berlin bleibt.
Mit Cuisance als offensivem Schlüsselspieler ist dies schon gelungen, möglich geworden wohl auch durch den feststehenden Abgang von Ibrahim Maza, bei dessen Wechsel zu Leverkusen einzig die Tatsache irritierte, dass er noch während der laufenden Saison ein Interview in Kleidung des neuen Clubs gab. Ansonsten die branchenüblichen wie nichtssagenden Floskeln, dass man schon immer davon geträumt habe, einmal dort zu spielen, wie geil das Stadion und wie grün der Rasen ist. Die Fußstapfen, in die er dort tritt, dürften gewaltig sein, wenn Wirtz tatsächlich gehen sollte. Und wie ein neuer Trainer ihn bewertet, falls Alonso gehen sollte, weiß auch niemand. Aber ein Wechsel auf dem Niveau ist nicht ohne Risiken zu bekommen und es ist für Maza sicher der richtige, weil leistungsgerechte Schritt für seine Weiterentwicklung, weshalb ihm auch alles Glück der Welt zu wünschen ist. Zumindest so lange er nicht gegen Hertha antritt.
Die große Unbekannte bleibt, ob Fabian Reese bleibt. Es ist DER Unterschiedsspieler, er und seine Freundin scheinen sich wohl in Berlin zu fühlen, mit Leitl steht ein Trainer an der Seitenlinie, die beide gut miteinander können und Reese ist Herthas Lebensversicherung. Mit seiner Rückkehr und der Auswechslung des Trainers kam Hertha wieder Oberwasser. Und hat gezeigt, wie sehr man das Zeug zum Wiederaufstieg gehabt hätte. Die Frage, ob Reese bleibt, wird wohl stark davon abhängen, wer Interesse an der Verpflichtung bekundet und ob derjenige bereit ist, für einen Ende zwanzigjährigen Spieler, der bislang nur zweite Liga gespielt hat, einen Betrag auf den Tisch zu legen, bei dem Verein und Spieler nicht mehr nein sagen können. Eine Ablöse in der Größenordnung wie bei Maza könnte zumindest vereinsseitig Begehrlichkeiten wecken.
Und gleichzeitig ein riesiges Problem verursachen, denn im Grunde genommen ist er sportlich nicht zu ersetzen. Kaum ein Angriff ohne ihn, kaum ein Tor ohne Beteiligung von ihm. In den letzten 8 Spielen hat er 9 Tore geschossen und 9 Torvorlagen gegeben. Wie soll man den ersetzen? Vielleicht könnte der Abgang von Derry Scherhant ja Spielräume eröffnen und den Druck, Reese aus finanziellen Gründen abgeben zu müssen, etwas vermindern. Das Problem mit Scherhant dürfte sein, dass er sich selbst deutlich besser einschätzt als es die anfragenden Vereine tun und er deshalb lieber weiter bei uns wenig mannschaftsdienliche Mätzchen am Ball vollführt. Man wird sehen.
Gesehen hat man auch, dass der Zuschauerzuspruch bei Hertha auch durch Abstiege und eine ekelhafte Serie von sieglosen Heimspielen nicht zu brechen ist. Auch, dass man die Ostkurve vergrößert und den Oberring über der Ostkurve hinzugefügt hat, dürfte einiges zum gewaltigen Zuschauerschnitt beigetragen haben. Kommerziell dürfte das zwar ein Minusgeschäft sein, aber für die Fanseele war das Balsam und könnte sich damit wenigstens langfristig auszahlen, wenn man den Hebel bedenkt, den man mit dem Dauerkartenpreis und der Begehrlichkeit hat. Wobei man das nicht übertreiben darf, denn auch Fanleidenschaft kennt Grenzen.
Nächste Saison also ziemlich sicher zweite Liga, ziemlich sicher deshalb, weil es noch Bedingungen zu erfüllen gilt, man diesmal aber wohl etwas besser vorbereitet war, dass man nicht ganz so dumm aus der Wäsche guckt, wenn die DFL genauer hinschaut. Wer dann bei Hertha das Sagen hat? Mit Boldt und Azzouzi hat man zwei Kandidaten wohl schon in den Skat drücken können, einige andere sind noch in der Gerüchtetrommel und am Ende könnte es auch eine interne Lösung geben. Hertha als Wundertüte und eine beinahe philosophische Frage wie die heutige Überschrift. Häufig liegt der Unterschied im Betrachter.
HaHoHe, Euer Opa
P.S.: UPDATE Stammtisch. Der für morgen im “Je länger, je lieber” geplante Stammtisch findet nun doch im Leuchtturm statt.