(opa) Man kam sich vor wie der Fisch an der Angel, der vom Angler durch loslassen und wieder heranholen Hoffnung auf Rettung gemacht wurde, um am Ende dann doch ermüdet einen Schlag auf den Kopf zu bekommen. Ausgerechnet Selke traf gegen uns und allein seine provozierende Art, gegen seinen Ex Club zu jubeln, bestätigt mich darin, den Typen nie gemocht zu haben. Er macht im Gegensatz zu seiner Zeit hier beim HSV seinen Job als Profi so gut er kann, das war’s dann aber schon. Dass der heilige Florian dann noch etwas Pfiff in die Partie brachte und entscheidenden Anteil daran hatte, dass bis kurz vor Schluss noch Hoffnung bestand, ist die gute Nachricht, kann aber an der bitteren Wahrheit nichts ändern, dass der Rückrundenauftakt jetzt schon als verkackt betrachtet werden muss.
Hertha liefert mal wieder großes Drama in zwei Akten, in der Oper gäbe es Tränen der Rührung und Standing Ovations. Im trübgrauen Westend hingegen dürfte Frust vorherrschen. Nicht, weil man nicht gut gespielt hätte, sondern, weil man wieder mit leeren Händen da steht und von Woche zu Woche mehr Menschen klar werden dürfte, dass der Marketinggag mit dem Berliner Weg wohl in eine hohle Gasse führt. Der Club braucht sportlichen und finanziellen Erfolg, um eine Zukunft zu haben. Und beides gerät von Woche zu Woche in fernere Zukunft, weil es am Ende nicht reicht, um die erforderlichen Punkte einzufahren.
Gut, gegen den Tabellenführer kann man verlieren, mit dem Auftritt allemal. Aber diese Strohfeuer der Hoffnung reichen nicht, um das Feuer zu entfachen, was für den Dampfkessel der Aufholjagd benötigt wird. Im Kopf eines Spitzensportlers können solche Partien den entscheidenden Knacks auslösen, im Zweifel dann doch nicht alles im Sprint zu geben oder den Sekundenbruchteil zu langsam zu sein im Kopf. Solche Niederlagen machen mürbe und kaputt. Und sie sind die Grundlage für die Misserfolge der Zukunft.
So bitter es klingt, aber Hertha wird auch in dieser Saison nicht der Aufstieg gelingen, zum Saisonende wird ein Aderlass eintreten, der uns mangels finanzieller Gestaltungsspielräume dazu verdammt, den Gürtel noch enger zu schnallen und noch schlimmeren Fußball erdulden zu müssen. Reese, Maza, Scherhant und Kenny sowieso werden im Sommer weg sein, weil Hertha das Geld braucht. Ob ein Cuisance zu halten sein wird, ist auch fraglich. Man wird vielleicht neue Talente entdecken, aber denen eben auch Klöpse zugestehen müssen, die spielentscheidend sein können und die selbst unter optimalen Voraussetzungen nicht dafür reichen, um mehr als einen Mittelfeldplatz anpeilen zu können. Eigentlich müsste man sogar von Anfang an den Klassenerhalt als Ziel ausgeben.
Es sind zwar nur 7 Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz, aber die Dichte in der Tabelle lässt große Sprünge nach oben nur dann zu, wenn man konstant punktet. Hertha stolpert jedoch durch die Saison und dass man den Tritt noch findet, scheint nahezu ausgeschlossen. Die Statistik und die hostorische Betrachtung sagen: Das ist unmöglich. Von daher tut man sich selbst und dem eigenen expectation management einen Gefallen, wenn man sich mit den Tatsachen abfindet, dass nun Sekundärziele greifen müssen.
Immerhin kann man sich so auch mal ganz in Ruhe um ganz offensichtliche Problempositionen kümmern. Fitness, Torwarttraining und das gesamte Management müssten auf den Prüfstand, da dürfte eigentlich kein Stein auf dem anderen bleiben. Wenn da nicht die Wagenburgmentalität wäre, mit der man sich gegenseitig stützt. Und deckt. Zu Lasten des Vereins, der doch allen angeblich so sehr am Herzen liegen soll, dass man sich das trotz ausbleibenden Erfolgs mit vorzeitigen Vertragsverlängerungen manifestiert und vergütet. Noch weniger Hoffnung als auf den Aufstieg sollte man haben, dass sich hier etwas tut.
So lange noch ein paar Euro aus dem Verein zu quetschen sind, so lange werden sich die heutigen Profiteure daran laben, was noch rauszuholen ist. Und falls nicht, werden alle anderen die Schuld daran haben, nur nicht sie. Die Vorgänger, die zu viel Geld ausgaben und zu hoch hinauswollten, das Stadion, die Erwartung der Fans, das angeblich ach so unruhige Umfeld, im Zweifel hat der Busfahrer falsch geguckt und der Greenkeeper hatte die falsche Jacke an. Dass der Laden miserabel gemanaged ist, wird niemand von denen zugeben, geschweige denn Verantwortung über- und den Hut nehmen. Noch gibt die Kuh ja ein paar Tropfen Milch.
Frust ist das vorherrschende Gefühl nach dem Wochenende. Da kann einen nicht einmal das Ergebnis des Stadtrivalen aufmuntern, der beim anderen Schlägerverein aus Hamburg unter die Räder kam und Richtung Tabellenende taumelt. Okay, das Derby in der kommenden Saison könnte ein Highlight werden, dass die offensichtlich sehr attraktive 2. Liga Zuschauerrekorde knackt auch. 322.468 Zuschauer strömten am abgelaufenen Spieltag in die Stadien des Unterhauses, neuer Rekord. Da sage noch einer, das Stadion sei zu groß. Immerhin haben die 20.000 Hamburger Fans im Oly Hertha auch ein paar Taler in die klamme Kasse gespült.
Ich hätte Euch gern etwas positiver aufgebaut, aber mir ist wirklich gerade nicht danach. Der Ofen ist aus, der Winter bleibt kalt, Hertha hat mal wieder das geliefert, was man verlässlich erwarten kann. Die Aussichten bleiben trüb wie es bei Augen älterer Damen irgendwann üblich wird. Mit Schönheits-OPs ist auch nichts mehr zu holen, einzig die vage Hoffnung auf die Stammzellforschung könnte noch ein Silberstreif am Horizont sein, passend zur Haarfarbe der alten Dame. Und wenn der Atem schon gallig ist, kann man ja ein Likörchen trinken. Auch in Untergang und Siechtum kann man fröhlich sein, was sollen wir uns ärgern. Lasst uns ein fröhliches Lied stimmen und die Endlichkeit des eigenen Daseins genauso als Sinn begreifen und feiern wie die Endlichkeit der alten Dame.
Prost und HaHoHe, Euer Opa