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Zurück in die Zukunft oder Leichenfledderei?

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(opa) Es gibt im Leben Vorgänge, die geeignet sind, Reflexe auszulösen. Ein solcher Reflex meldet sich, wenn sich Menschen auf Verstorbene und auf das berufen, was diese angeblich gewollt hätten. Der Umgang mit diesem Reflex erfordert Fingerspitzengefühl, weil regelmäßig die Gefahr droht, von denjenigen, die sich hinter solchem Vorgehen verstecken, der Beschmutzung des Andenkens Verstorbener bezichtigt zu werden. Dabei könnte es sich mit dem Berufen auf etwas, was jemand gewollt hätte, ein wenig wie mit Schrödingers Katze verhalten, bei der nur durch den Akt der Messung entschieden wird, welcher Wert nun in der Realität gilt, das Gegenteil aber dennoch auch richtig ist.

Im Moment lebt die Katze namens Hertha also, man hat eine Lizenz vorbehaltlich der Erfüllung von Bedingungen erhalten. Ob diese erfüllt werden können und welche Auswirkungen eine eventuell bevorstehende Pleite des Investors haben könnte, steht zum jetzigen Zeitpunkt nicht fest. Dass man verkündet hat, dass man auch nicht mehr wisse als das, was in den Medien stünde, lässt aber tief auf den Zustand der “investors relations” blicken. Immerhin kann man sich auch nicht mehr hinter Aussagen eines Finanzgeschäftsführers verstecken, der die nächsten zwei Saisons ja als sicher durchfinanziert sah. Man arbeite für die Anleihe an einem Refinanzierungsmodell, um bei der nächsten Lizenzierung nicht erneut in Gefahr zu geraten.

Weshalb niemand fragt, warum man das nicht schon vorm letzten Lizenzierungsverfahren getan hat? Und ob sich dann die, die sich auf den Willen von Verstorbenen verstecken, dann auch hinter Toten verstecken? Ich möchte mich nicht an Spekulationen beteiligen, ob der verstorbene Bernstein mit dem Saisonverlauf zufrieden gewesen wäre. Ich halte das Verstecken hinter dem angeblichen Willen von Verstorbenen auch für ein grundlegend falsches Vorgehen. Auch wenn man derzeit Popularitätspunkte damit sammeln mag, blendet es aus, dass auch der Verstorbene bei einem möglichen Weiterleben zu anderen Schlüssen gekommen wäre. Vielleicht wäre Bernstein zur Wiederwahl angetreten, vielleicht hätte er mit der Familie entschieden, sich ins Privatleben zurückzuziehen, vielleicht hätte er den “Berliner Weg” für gescheitert erklärt. Niemand weiß es. Und daher sollte sich auch niemand darauf berufen.

Bei nüchterner Betrachtung war der “Berliner Weg” ohnehin primär ein von Bernstein initiierter und moderierter Weg, der mit seinem Tod und mit weiterem Abstand zu einer Floskel verkommen ist. Sich hinter einer solchen Floskel zu verstecken, deutet darauf hin, wie schwach es um die Personality derjenigen gestellt ist, die sich nun als eine Art geistige Nachlassverwalter aufzustellen gedenken, indem sie sich auf Tote und deren angeblichen Willen berufen. Bernstein darf man die Fähigkeit zusprechen, sich Fehler einzugestehen und das Handeln entsprechend anzupassen und es sind Zweifel angebracht, dass er den von ihm eingeleiteten Weg als unfehlbar betrachtet hätte, auf den sich nun berufen und hinter dem sich jetzt abgeduckt wird.

Diese “Leichenfledderei” wird den Verein bei allem verständlichen Streben nach Harmonie leider nicht weiterhelfen. Andererseits können die Verantwortlichen beinahe nur positiv überraschen, weil der Erwartungshorizont überaus übersichtlich ist. Dass im Management von Hertha weiterhin sportliche Kompetenz eher unterrepräsentiert bleibt, ist beim Erreichen sportlicher Ziele nicht zwingend hilfreich. Demut allein übrigens auch nicht.

Sportchef Weber sagte gestern: “Am Ende lügt die Tabelle nicht. Wir sind nicht hundertprozentig zufrieden mit diesem Ergebnis, ich glaube wir alle hatten das Gefühl, es wäre ein bisschen mehr drin gewesen.” Heißt das isoliert betrachtet, dass er die Kaderplanung, die das ganze Jahr über als Ausrede herhalten musste, weshalb Dardai nicht besser performte, dann doch für ausreichend hielt? Immerhin hat er auf dieser Grundlage die Entscheidung zur Nichtverlängerung mit Dardai begründet. Warum man dann nicht früher gehandelt hat, hat er nicht gesagt, weshalb man mit seinem Werk vielleicht auch “nicht hundertprozentig zufrieden” sein kann. Nur Konsequenzen hat das im Gegensatz zu Dardai keine.

Dass der ohnehin zu große Kader Herthas von Weber weiter zum Wachstum angeregt wird, indem auf Positionen nachgebessert wird, auf denen augenscheinlich kein echter Bedarf besteht, lässt nicht wenige Beobachter fragend zurück. Vermutlich weiß er schon mehr, aber Stand heute ist ein solches Handeln genau das Gegenteil von dem wirtschaftlichen Weg, den man doch beschreiten will. Wobei diesen Willen auch die Vorgänger und Vorvorgänger bekundet haben, um am Ende dann doch ein dreistelliges Millionendefizit aufzutürmen, ohne irgendeine nennenswerte sportliche Performance dafür abzuliefern. Vielleicht versteht der eine oder andere, der das für Nörgelei oder die Lust daran hält, bei dieser historischen Rückschau, weshalb Skepsis bei solchen Bekundungen angezeigt scheint.

Zumal gestern auch für die Zukunft kaum etwas in Erfahrung zu bringen war, was einen nun zum Träumen von einer Besserung animiert. Die Verlängerung des Vertrags von Eitschberger war das Highlight in dieser Hinsicht. Eine Regalhöhe, an die man sich wird gewöhnen müssen, übrigens auch in der Trainerfrage, denn interessante Interessenten dürften nicht gerade Schlange stehen vorm Friesenhaus. Und eine Vereinsführung, die nahezu keine Kenntnisse im operativen Kerngeschäft hat, muss nun unter Sparzwangkonditionen Entscheidungen treffen, wie es zukünftig besser laufen soll. Wer dabei ein fröhliches “Weiter so!” im Kopf hat, sollte bedenken, dass der Trend gerade rückläufig ist. In Dardais erster Amtszeit spielten wir international, danach eigentlich nur noch gegen den Abstieg, nach dem wir bisher nicht um die Aufstieg spielen mussten. Nun müssen wir, “alternativlos” nach Aussage von Herrich.

Eine Idee, wie das konkret gelingen soll, scheint abseits von Floskeln, die auch im Wahlkampf oft zu hören sind, niemand zu haben. Oder nicht vermitteln zu können. Herthafandasein erfordert ein hohes Maß an Resilienz.

HaHoHe, Euer Opa

P.S.: Um fürs Sommerfest am 8.6. planen zu können, bitte ich Euch, bis zum 4.6. mitzuteilen, ob ihr dabei seid:

Beim Sommerfest am 8.6. ...

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  • ...bin ich sicher dabei (7%, 7 Votes)

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