Veröffentlicht am Kategorien 2. Bundesliga, 2024, Allgemein, Spieltag

Spieltagsnachlese

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(opa) Wie kommt man nach den Ereignissen der letzten Woche zu einer Spieltagsnachlese? So nachdenklich und still habe ich unser Stadion zuletzt nach dem Anschlag auf den Breitscheidplatz wahrgenommen. Und so viele weinende Gesichter wie am Sonntag gab es nicht einmal beim letzten Abstieg. Mit dem viel zu frühen und unerwarteten Tod hinterlässt Kay Bernstein eine Lücke im Verein und über den Verein hinaus, wie die unzähligen Beileidsbekundungen beweisen. Auf dem Trauermarsch waren auch unzählige Fans vom Spieltagsgegner Fortuna wie auch von anderen Vereinen. Wenn es in einer solchen Situation überhaupt so etwas wie einen würdevollen Abschied geben kann, war man am Sonntag nah dran. Aber wozu verabschieden, wo er doch eigentlich unvergessen bleiben wird?

Es ist das Los der Überlebenden, nicht nur mit Trauer umzugehen, sondern eben auch den Weg in die Normalität zurückzufinden. Die Trauer um Kay Bernstein wird keine der Herausforderungen lösen, vor denen dieser Verein steht. Und Bernstein hätte auch nicht gewollt, dass seinetwegen der Verein still steht. Insofern war es vielleicht auch richtig, dass dieses Spiel gespielt wurde, weil es Gelegenheit gab, einen angemessenen Rahmen für gemeinsame Trauerarbeit zu schaffen. Das Ergebnis? Völlig zweitrangig, aber wer den Jubel von Tabakovic nach seinem Traumtor gesehen hat, wie er nicht mit seinen Mitspielern jubelte, sondern sich ein Trauer-Shirt geben ließ, welches die Mannschaft beim Aufwärmen getragen hatte, es nach oben hielt und einen Kuss Richtung Himmel gab, als wolle er dieses Tor Bernstein widmen, treibt mir auch heute noch die Kullertränen in die Augen und einen Kloß in den Hals.

Dass dieses Spiel nicht gewonnen wurde, ist vollkommen egal, an diesem einen Spiel und seinem Punkt bzw. den evtl. nicht geholten drei Punkten wird es am Ende nicht scheitern, der Aufstieg ist derzeit ohnehin nicht realistisch. Dass der eine oder andere Spieler zu Spielbeginn noch mit den Tränen kämpfte, darf auch nicht vergessen werden. Bei aller erwarteten Professionalität sind auch Fußballprofis eben Menschen, die von Emotionen geleitet werden. Dazu kam ein Schiedsrichter mit einer etwas merkwürdigen Art und Weise, ein Spiel zu leiten und einer noch merkwürdigeren Regelauslegung. Beiden Elfmetern roch man es jedenfalls an und manch einer rieb sich verwundert die Augen und fragte sich, ob der aktuelle DFB Präsident nun auch Fortunafan sei. Dass der VAR nicht eingriff, naja, die Debatte ist ein quietschendes Hamsterrad.

Zurück zum drumherum, auch da hatte man einen würdigen Rahmen gefunden, die spontan vorm Stadion niedergelegten Kerzen und Blumen vor dem Osttor nicht zu entweihen. Ein wenig vorsichtig zur Seite getragen, ein paar Einlässe geschlossen, niemand murrte darüber. Im Oberring außen hing ein großes Schwarzweißportrait von Bernstein, vor dem Eingang zur Ostkurve lagen Kondolenzbücher aus, die Andacht aus der Kapelle des Oly wurde live ins Stadion übertragen, Werbebanden blieben während der Schweigeminute schwarz, auf das Showprogramm wurde pietätvoll verzichtet so wie manch Werbetreibender besser auch verzichtet hätte, während des Spiels “business as usual” zu betreiben. Aber vielleicht ließ sich das bei dem einen oder anderen in der Kürze der Zeit auch nicht so schnell realisieren?

Ja, dieser Präsident wird eine Lücke hinterlassen und einen wie ihn werden wir so schnell nicht wiederbekommen. Ein Menschenfänger, ein Gräbenzuschütter, jemand, der nahbar war, Fehler zugeben konnte und glaubhaft erklärte, was er aus ihnen gelernt hat. Dazu glaubhaft selbstlos und sich nicht schonend, wenn es um seinen Verein ging, dem er ehrenamtlich vorstand. So jemanden gibt es kein zweites mal und dennoch wird es die Aufgabe des Präsidiums und der anderen Gremien sein, jemanden zu finden, der bestmöglich einen Kompromiss darstellt und, was wohl viel schwieriger sein wird, der sich überzeugen lässt, sich diesen Job anzutun, für ein Ehrenamt von der Presse auf links gedreht und von der MV gegrillt zu werden, um hinterher an allem Schuld zu sein, selbst, wenn der Stürmer nur das Alu statt dem Tor getroffen hat.

Sehr viele Menschen fielen meinem Abendessenpartner und mir am Freitagabend nicht ein. Bitte wenn möglich keinen aus der Politik, keinen neuen Gegenbauer, keinen der “Frustrierten”, die im Zuge der Amtsübernahme den Verein oft nachtretend verlassen hatten. Beim Gedanken “warum nicht eine Frau” (zumal Hertha ja auch ein Frauenname ist, der Dampfer wurde ja nach der Tochter des Reeders benannt) fiel mir der Name Esther Sedlaczek ein, eine Menschenfängerin, Herthanerin, kennt sich mit dem Sportbusiness und den Medien aus, kann auch mal unangenehme Fragen stellen… Aber ob sie überhaupt Lust auf diesen Job (der kein Job ist) hätte? Ein Gedanke wäre es allemal wert, sie zu fragen. Wer ihre Nummer hat, möge sie mir bitte mitteilen. 🙂

HaHoHe, Euer Opa

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