Veröffentlicht am Kategorien 2. Bundesliga, 2023, Allgemein

Oans, zwoa, gschissen…

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(opa) Während ihr alle das 3:0 genossen habt, war ich bereits auf dem Weg nach München. Mit Anpfiff verlies ich das Sendegebiet des rbb und im MDR und später im BR lief außer einer dünnen Meldung über das Ergebnis nichts über den Äther. Und während alle fröhlich den Sieg mit dem Abpfiff feierten, stand ich irgendwo auf der A9 eine knappe Stunde in einer Vollsperrung bei 33° im Schatten, den es dort allerdings nirgends gab, aber im Gegensatz zu den Verletzten des Unfalls, für den die Rettungswagen herbeieilten, war mir halt nur warm. Solche Erlebnisse können zwecks Kalibrierung sehr hilfreich sein und mein Reiseprogramm incl. Wiesnbesuch ließ ohnehin schon allein zeitlich nicht zu, dass ich mich hier zu Wort melde. Und was sollte ich auch zu einem Spiel schreiben, von dem ich nichts mitbekommen hab außer dem Ergebnis?

Aber es gab noch einen weiteren Grund, weshalb ich es vorzog, erst einmal nichts zu schreiben. Der Grund dafür war die zum Teil harsche Kritik, die hier zuletzt an einigen meiner Diskussionsbeiträge geäußert wurde. Ich wurde als “Fehler” bezeichnet, mein Hinweis auf drohende Zahlungsunfähigkeit mit den Wirkmechanismen einer Sekte verglichen. Für mich als gläubiger Christ, der an Vergebung und ewiges Leben glaubt, ist ein solcher Vergleich schmerzhaft und mein spontanes Reaktionsbedürfnis darauf irgendwo zwischen Wange hinhalten (Mt 5:39) und Tische umwerfen (Joh 2:15). Meist tendiere ich zu letzterem, daher musste ich mich erst einmal beruhigen.

Ich weiß, dass man in einer hitzigen Debatte manchmal Aussagen schärfer formuliert als sie gemeint sind und nicht jeder Vergleich trennscharf ist. Ich weiß auch, dass manches, was vielleicht unglücklich formuliert war, schnell in den falschen Hals gerät. Dennoch muss ich mich in solchen Momenten zurückhalten, um das erstmal zu sortieren. Und um mich davon abzuhalten, allzu impulsiv zu antworten oder dem Server den Stecker zu ziehen.

Die Dünnhäutigkeit einiger Fans auf Kritik am Verein hat am Sonntag auch mein Vorgänger zu spüren bekommen, der seine Meinung bei X zum Torwartthema postete und plötzlich im Sturm gesprenkelter Scheiße stand.

Ganz nüchtern und rational betrachtet, könnte man meinen, dass das eine legitime Meinung sei und selbstverständlich sollte es auch legitim sein, diese zu äußern. Nun sind Fußballfans aber selten rational und noch seltener nüchtern und so unterstellte man ihm “Hass auf Hertha” als Motiv, er würde ein “Hertha Hate Account” betreiben, er wurde gefragt, ob es anstrengend sei, “dauernd das negative zu suchen”, er solle leise heulen und “am Besten zu den Köpenickern” gehen und die mit seinen “schlechten Behauptungen” nerven. “Hauptsache, es gibt immer was zu meckern” und dass der Ex-Blogpapi “nur negative Scheiße” schreibt. “Quatschkopp”, “Vogel”, “Witzfigur”, “Humbug”, “Kritik um der Kritik willen”, “der ewige Nörgler”, “keine Ahnung vom Fußball”, “Schnauze halten” gefolgt von “dumme Schnauze halten” und “Fresse halten”. Ich fühlte mich an das erinnert, was mir in den Tagen vor dem Spiel hier entgegenschwappte.

Inhaltlich hat sich kaum jemand mit der These auseinandergesetzt. Und ich musste irgendwie gequält schmunzeln, denn auch mit meinen Thesen hat man sich weniger auseinandergesetzt als mit meiner angeblich nicht astreinen “Gesinnung”. Man hatte mir in den letzten Monaten ja auch immer wieder vorgehalten, dass hier deshalb nur noch angeblich so wenige von denen von früher schreiben würden, weil es hier so negativ zuginge und ich fragte mich, was wohl wäre, wenn ubremer den Blog weiterbetreiben würde. Wer ihn kennt, weiß, dass er das so auch hier geschrieben hätte, da hätte sich aber wohl kaum jemand getraut, ihn so anzugehen.

Ich maße mir nicht an, das Fandasein anderer zu beurteilen. Ich habe mich immer dafür eingesetzt, dass jeder sein Fandasein so ausleben soll, wie er es möchte. Das gilt aber in beide Richtungen und die Unterstellung, man könne kein Fan sein und gleichzeitig Kritik üben, ist überaus absurd. Seit jeher gehört es dazu, dass beim Fußball auch mal gepfiffen wird, wenn einem das Dargebotene nicht behagt. Und wenn das, was Uwe oder ich z.B. zu den Finanzen von Hertha schreiben, nun in die Kategorie “Weltuntergangsherbeiredung” eingeordnet wird, wie ist denn dann die Aussage unseres Herzensvereins einzuordnen, die im Disclaimer der Anleihe standen, wo kurz gesagt drinsteht, dass wenn die Anleihe nicht verlängert wird, Hertha keine Lizenz erhält und selbst wenn, die nicht unwahrscheinliche Möglichkeit besteht, dass die Anleihe nicht zurückgezahlt wird. Wie wäre es denn, statt auf die Überbringer der schlechten Botschaft zu schießen, denjenigen auf die Finger zu schauen (und ggf. auch auf selbige zu klopfen), die den Käse angerichtet und zu verantworten haben?

Ich hab übrigens Verständnis dafür, wenn jemand “nur” etwas zum Thema Fußball oder der sportlichen Entwicklung lesen möchte, aber das ist dann hier 1. das falsche Format, denn ich maße mir nicht an, sonderlich viel Ahnung vom Fußball zu haben und 2. durchaus selbst gestaltbar, indem man eben über solche Themen schreibt, das Ding hier lebt vom Mitmachen und einige von Euch gehen da mit gutem Beispiel voran und diskutieren über Stats von einzelnen Spielern und wie diese einzuordnen sind oder über das Herauslaufverhalten unserer Torhüter.

Ich lese das durchaus gern und lerne. Ich selbst schreibe aber primär über Themen, von denen ich ein wenig mehr verstehe als vom runden Ball und die im Fußballkontext vielleicht auch nicht ganz unwichtig sind wie Kommunikation, innere Führung oder die Finanzen. Und ich werde das auch weiter tun, weil das Grundlage dessen ist, dass überhaupt gegen den Ball getreten werden kann und die Dinge, die man bei Hertha zwecks Sanierung eingeleitet hat, sehr spannend und letztlich die Grundlage dafür sind, dass wir auch in Zukunft unserem Herzensverein zujubeln oder mit ihm leiden dürfen. Nur sieht es da halt nicht besser aus als das düstere Bild, was ich letzte Woche gemalt habe.

Und wenn das jemandem nicht gefällt, gehe ich damit um wie ein Würstelstandbetreiber in Wien. Wenn dort jemand Senf haben möchte, kriegt er ein “Gschissenen” auf den Teller.

Habe die Ehre, äh, HaHoHe, Euer Opa

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