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Glücksspiel 777?

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(opa) Dreimal die 7 ist nicht nur das Kürzel unseres neuen Investors, es ist auch das Kürzel für eine Langstreckenmaschine von Boeing und der eines halbseidenen Onlinecasinos. Was die Kürzel miteinander zu tun haben und ob Herthas neuer Investor den langen Atem einer Boeing 777 hat oder eher ein Glücksritter ist, der gern zockt, wird man wohl erst an einem möglichen Ende beurteilen können. Dennoch ist es an der Zeit, einige Punkte einzuordnen und eine erste Einschätzung abzugeben.

Im Gegensatz zu Vorinvestor Windhorst (der nun allerdings Partner bei 777 sein dürfte, weil ein Teil des Deals im Rahmen eines Aktientauschs stattgefunden haben soll) bringt 777 ein Netzwerk und Expertise im Sport- und Fußballgeschäft mit. Neben dem FC Sevilla, CFC Genua, Vasco Da Gama, Standard Lüttich, Redstar FC Paris und Melbourne Victory ist Hertha BSC nun der siebte Fußballclub im Portfolio, zu dem noch einige andere aus der Sportwelt wie die britische Basketballliga oder Investments außerhalb der Sportwelt (Flugzeuggeschäfte) gehören.

Ein solches Netzwerk hilft nicht nur bei Flügen zu Basketballspielen in Großbritannien (welches sich wiederum vom vereinigten Königreichs genauso unterscheidet wie von den britischen Inseln – soviel Bildungsauftrag muss sein), sondern kann tatsächlich “Synergieeffekte” heben. Wozu eine eigene Scoutingabteilung, wenn die Konzernmutter eine besitzt? Wozu Ablöse zahlen, wenn man einen Spieler aus dem eigenen Portfolio eines Schwestervereins anbieten kann. Angeblich soll das schon bei der Verpflichtung von Niederlechner funktioniert haben. Nur mit dem keine Ablöse zahlen scheint nicht geklappt zu haben. Aber da waren wir ja noch nicht Teil des Netzwerks.

Da 777 auch im TV Geschäft mitmischt, ergeben sich auch auf Vermarktungsseite Potentiale für die Herstellung und Distribution von eigenem Content. Die “Best of 777 im Jahr 2023” könnte irgendwann in der Drittverwertung so bei den Streamingdiensten landen und zusätzliche Einnahmen und Image generieren. Sport im Allgemeinen und Fußball im Besonderen ist eben auch ein riesiges Geschäft und Hertha braucht nicht nur mehr Einnahmen, sondern muss vor allem lernen, weniger Geld auszugeben als man einnimmt. Verluste und/oder keine Marge sind in der US Investorenwelt nur akzeptabel, wenn man massiv wächst und darüber Geld zu verdienen ist.

Mit RedBull und der City Group gibt es bereits zwei weitere Player im Fußballgeschäft, die ähnliche Synergien zu heben versuchen. Während die beiden halt klare Farmteams unterhalten und Salzburg nicht nur als Durchlauferhitzer für eigene Talente dient, sondern auch ohne Murren seine Stars abgeben muss, damit Leipzig davon profitiert, hat sich 777 dazu bekannt, die Identität der übernommenen Vereine unangetastet zu lassen. Kein schlechter Schachzug, weil er Widerstände der Fanbasis gering hält. Aber eben auch nicht ohne Risiko.

Und Risiken bestehen bei dem Deal reichlich. Zwar hat sich Hertha mit 777 auf den Umbau der Aufsichtsgremien geeinigt, allerdings steht laut gestriger PK noch nicht fest, ob die DFL dabei mitmacht. Mit dem Einstieg von 777 hat der Investor zwar eine Geldspritze angekündigt, die bei der im Rahmen des Lizenzverfahrens einzureichenden Liquiditätsvorschau sicher hilfreich ist, allerdings soll der Umbau der Aufsichtsgremien noch nicht genehmigt sein. Immerhin gilt in Deutschland die 50+1 Regel und auch die Aufsichtsgremien müssen vom Verein dominiert werden.

Ob der Mittelzufluss ggf. noch scheitert, wenn die DFL “njet” sagt, hat gestern keiner der anwesenden Sportberichterstatter gefragt, die wohl für Fragestellungen dieser Art eher jemanden aus dem Wirtschaftsressort zur PK hätten schicken müssen. Und so fliegt diese wichtige Fragestellung wie so viele andere unterm Fan-Radar, unter dem Hertha seit dem letzten Wiederaufstieg eine halbe Milliarde mehr Geld ausgegeben hat als Ligakonkurrent Augsburg, der seinerzeit zeitgleich den Aufstieg schaffte. Dabei dürfte die Frage existenziell sein und die DFL entscheidet nach “Gesetzeslage”, auf die sich die in den Bundesligen teilnehmenden Vereine geeinigt haben.

Herthas Gewicht in der DFL ist allerdings deutlich leichter geworden, nachdem sowohl Ex-Finanzboss Schiller als auch der geschasste Manager Bobic ihre Posten für Hertha und damit satzungsgemäß zeitgleich auch bei der DFL verloren. Und da der verbliebene und nun für die Lizensierung verantwortliche Geschäftsführer Herrich mit dem formaljuristischen Einmaleins bisweilen Schwierigkeiten haben soll, kann man wohl dann doch nur auf das Glück vertrauen, welches man auch braucht, damit im Casino am einarmigen Automaten dreimal die 7 erscheint. Toitoitoi.

Bei Hertha und auf hoher See sind wir alle in Gottes Hand. HaHoHe, Euer Opa

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