(opa) Gestern war ein Tag vieler Überraschungen. Als ich mich kurz nach dem Mittagessen auf den Weg ins Stadion gemacht hatte, war ich vorher schon wählen und im Gegensatz zur letzten Wahl musste ich nicht über eine Stunde anstehen, sondern war sofort dran. Ähnlich leer war es auch auf dem Weg ins Stadion und auch der Olympische Platz und die angrenzenden Parkplätze waren gegen 13:40 Uhr noch ziemlich leer, was nicht nur am zeitgleich stattfindenden “Rennerenne” einiger sportlich-aktiver Fans lag, welches von der Rennleitung aber nach erstem Eindruck schnell unterbunden wurde. Und so traf man zunächst nur ein paar hartgesottene Herthaner, die sich beim Nuckeln an der Bierpulle in Galgenhumor flüchteten.
Doch von Minute zu Minute strömten immer mehr Zuschauer Richtung Stadion, was wohl neben der Tatsache, dass Hertha reichlich Freikarten unters Volk gebracht hatte, auch an der durch den grauen Himmel dringenden Wintersonne lag, die über dem Olympiastadion lachte wie einer, dem bewusst wird, dass Hertha sich nach einem 374 Millionen schweren Investment in akuten Abstiegsnöten befindet. Die Stimmungslage vor dem Spiel schien eindeutig, man hoffte auf einen Glückspunkt und rechnete mit der nächsten Niederlage. Es sollte anders kommen. Und doch wieder nicht.
Hertha wirkte zu Spielbeginn verkrampft. Die Umstellung auf Dreierkette schien bei dem einen oder anderen Spieler noch zu ungewohnt und woher sollte nach den Ergebnissen der vorherigen Spiele auch so etwas wie Selbstvertrauen und Zuversicht kommen? Und so kassierte man unglücklich einen Gegentreffer, der auf Unabgestimmtheit in Herthas Hintermannschaft zurückzuführen war. Es schien also alles wie immer zu laufen. Beinahe demütigende Petitesse am Rande war, dass Hertha auch offensiv am Gegentreffer beteiligt war, denn der Pass kam ausgerechnet von dem bei Hertha ausgebildeten Luca Netz. Soll nochmal einer sagen, Herthas Nachwuchsförderung würde nicht zu Toren führen.
Das Team um Trainer Schwarz ließ aber tatsächlich nicht die Köpfe hängen. Angetrieben von Neuverpflichtung Tolga Cigerci und einem erstarkten Suat Serdar spielte man offensiv gefällig und erzwang regelrecht den verdienten Ausgleich in der 30. Minute durch Ngankam. Weiter offensiv ging es nach der Halbzeitpause weiter und nicht wenige rieben sich verwundert die Augen, als Hertha nicht nur hochverdient, sondern auch noch mit einem Sonntagsschuss durch Geburtstagskind Marton Dardai in Führung ging. Als in der 64. MInute Trainer Schwarz Boetius und Lukebakio einwechselte, sah das irgendwie nach Verwaltung des Eintoresvorsprung aus und es bleibt das Geheimnis von Trainer Schwarz, was er in Boetius für Qualitäten sieht.
Doch Hertha war gestern zu gut drauf und die Borussia vom Niederrhein in einem desaströsen Zustand leistete keinerlei Widerstand mehr. In der Nachspielzeit brachen die Fohlen dann endgültig zusammen. Scherhant durfte zum 3:1 einnetzen, nachdem kurz zuvor Christensen endlich mal wieder unter Beweis stellte, dass er ein Rückhalt sein kann. Das 4:1 durch einen für Hertha gegebenen Elfmeter rundete das Ergebnis am Ende erfreulich für die Tordifferenz ab. Jubelnd feierten Herthaner Arm in Arm den ersten Heimsieg des Jahres und nicht wenige wünschten sich, dass es doch nach jedem Spiel so sein möge.
Es nieselte, als ich das Stadion verließ. Regen so mies wie die Stimmung in den Wochen zuvor ob des verkorksten Starts nach der Winterpause mit einem obendrein verlorenen Stadtderby. Regen, der einen daran erinnerte, dass man zwar eine Schlacht gewonnen, aber damit noch nichts erreicht hat, denn auch wenn Hertha am VfB vorbeiziehen konnte, steht man immer noch auf einem Relegationsrang und hat als nächsten Gegner den BVB vor der Brust. Trotz des überzeugenden Auftritts gestern darf nicht vergessen werden, dass man 19 Spieltage zuvor viel zu selten Ergebnisse geliefert hat und in diesem Jahr aus 5 Pflichtspielen eben nur diese 3 Punkte von gestern auf dem Konto hat und man auch mit diesem Punkteschnitt am Ende absteigt.
Um 18 Uhr kamen dann die ersten Prognosen. Wie im Fußball dieser Stadt hat nun auch politisch eine Körperschaft die Nase vorn, die auf den Namen Union hört, wenngleich auch hier alles beim alten bleiben dürfte. Die boshaft von einigen “Biestersitcom” genannte Koalition dürfte wohl mit allen ihren bizarren Nebenschauplätzen wie Stadtmöbelparklets und von sog. Aktivisten beklatschten Findlingsslalomparcours in eine Verlängerung gehen, die man wichtigen Verkehrsadern der Stadt verweigert. Der Krug geht eben so lange zum Brunnen bis er bricht. Hertha wird übrigens kein neues Stadion bekommen, der Wahlkampf ist vorbei und Hertha dürfte ohnehin andere Probleme haben als das.
Denn Herthas Probleme haben sich nicht über Nacht in Luft aufgelöst. Immerhin ist man 8 km mehr gelaufen als der Gegner, aber die Defensive ist weiterhin anfällig und die krampfhaft offensiv ausgelegte Statik des Spiels wirkt wackelig und ist von gegnerischen Spielanalysten leicht auszucoachen. Und wenn dann wieder die hängenden Köpfe zu sehen sind, wird man bei Hertha wieder die Durchhalteparolen herauskramen, mit denen man uns in den letzten Wochen beglückt hat. Gestern hat uns etwas Hoffnung gestriffen, aber es war keine Schwalbe, die ohnehin keinen Sommer macht, sondern eher die über dem Oly kreisenden Krähen als Totenvögel, die wohl das passendere Sinnbild für den Zustand unseres Vereins sind.
Für die Zukunft sehe ich Schwarz. HaHoHe, Euer Opa