Veröffentlicht am Kategorien 1. Bundesliga, 2022, Allgemein, Spieltag, Transfers

Wie gewonnen, so zerronnen?

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(opa) Gestern überlegte ich während des Spiels, was ich über selbiges heute wohl schreiben sollte. Denn irgendwie ist es symptomatisch für diese Saison, Hertha spielt recht sehenswerten Fußball, die Mannschaft kämpft, die Moral stimmt, es ist etwas wie ein taktisches Gerüst erkennbar, welches auf den Gegner eingestellt ist und am Ende gewinnen dennoch die anderen. Dass man sich gestern teuer verkauft hat und sogar Selke ein Tor schoss, davon kann man sich nichts kaufen, wenn am Ende Null Punkte auf dem Zettel stehen und öffentliche Gerüchte die Runde machen, dass man Selke zur Not auch verschenken würde, um von den hohen Gehaltszahlungen herunterzukommen.

11 Punkte aus 13 Spielen sind eben nicht nur ein statistischer Wert, sondern sagen eben am Ende das entscheidende aus. Hertha ist ein Abstiegskandidat, pleite sind wir auch mal wieder und keiner der Funktionsträger sollte diese Situation schönreden. Wir werden in den kommenden Transferperioden alles verkaufen müssen, was sich zu Geld machen lässt und darauf hoffen müssen, dass die als Ersatz geholten Spieler einschlagen und wir wenigstens sportlich den Klassenerhalt schaffen. Ob das lizenztechnisch hinzubekommen ist, dafür müssen diejenigen sorgen, die in die Fußstapfen des ausgeschiedenen Ingo Schiller getreten sind, der nach eigener Aussage den Verein “finanziell gesund” hinterlassen haben will. Angesichts der dieser Tage veröffentlichten Prognose für die laufende Saison ist eine solche Aussage eher als blanker Hohn zu verstehen.

Man muss kein Prophet sein, wenn man sich eingesteht, dass die nächste Jahre mit einer größeren Wahrscheinlichkeit sportliche Magerkost bieten werden. Was gestern von den Bayern zum Teil an Kurzpassspiel gezeigt wurde, war nicht nur ein Klassenunterschied, sondern fühlte sich manches mal an wie eine andere Sportart (auch wenn das erste Tor ein Treffer der Kategorie “Kacktor” war). Insbesondere Herthas Defensive sah gegen diese Passmaschinen desöfteren nicht sonderlich souverän aus.

Dass es am Ende noch knapp wurde, hatte man sich aber hart erarbeitet und über ein Unentschieden hätte sich am Ende bei den Bayern niemand beschweren dürfen. Zwar half der VAR gütigerweise beim Elfer für Selke und dem Aberkennen eines Treffers wegen Abseitsstellung mit, aber die Bayern hatten nach dem 0:3 einen Gang zurückgeschaltet und waren wohl ob der beiden Gegentore ein wenig in Schockstarre geraten und verwalteten das Ergebnis mehr als da wirklich nochmal entscheidend nachzulegen, wenngleich man das wohl jederzeit gekonnt hätte.

Der Matchplan von Trainer Schwartz war also gut, das Ergebnis angesichts der Regalhöhe des Gegners wohl auch, weshalb auch das nur eine Tor Tordifferenz wohl noch einmal wichtig werden könnte, wenn daran am Saisonende Abstieg oder Relegationspflicht durch die Tordifferenz entschieden wird. Insofern ist das Glas weiterhin eher halbvoll, auch wenn der Druck vor der Winterpause nun immens ist, gegen die nächsten Gegner müssen beinahe 6 Punkte her, um damit auch das Selbstvertrauen und die Bestätigung zu holen, dass man weiterhin auf dem richtigen Weg ist und es sich für alle Spieler lohnt, sich ins Pressing und Gegenpressing reinzuwerfen.

Und was auch immer Trainer Schwartz für ein Mittel gefunden hat, um Lukebakio zu motivieren, muss er dieses weiter zur Anwendung bringen, so lange der Belgier im Herthatrikot aufläuft. Doch wie lange noch? Lukebakio dürfte einer der Großverdiener sein, die sich Hertha nicht leisten kann und in seiner jetzigen Form dürfte es auch durchaus Interessenten geben, die bereit wären, für ihn eine ordentliche Ablöse zu zahlen. Tendenziell würde ich dazu raten, sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass er im Winter weg sein dürfte. Zumindest dürfte dieses Szenario wahrscheinlicher sein als dass sich jemand findet, der Selke kauft.

Wobei der vielgescholtene Davie Selke gestern eine verhältnismäßig ordentliche Partie abgeliefert hat. Talent hat er ja zweifelsohne, es sind andere Defizite, die ihn als nicht kompletten Spieler wirken lassen. Aber er war da, als Hertha ihn brauchte, weil der nominelle Startelfstürmer wegen eines Magen-Darm-Leidens ausfiel. Die Pflichtaufgabe erledigte er also, wenngleich nicht wenige weiterhin mit seiner Fallattitüde fremdeln dürften, die uns zwar immerhin einen Elfer eingebracht hat, aber irgendwie kaum das sein kann, was man dargeboten bekommen mag.

Ob am Ende Trainer Schwartz mit seinen Einwechslungen richtig lag, war dann fast das meistdiskutierte bei der gestrigen Nachspielanalyse. Kanga für Selke geht wohl in Ordnung, Ejuke für Serdar war wohl eine taktische Umstellung, Mittelstädt nutzte seine Chance, es besser zu machen als Kapitän Plattenhardt, Maolida für Richter war wohl ein Fingerzeig dafür, dass man eben nicht mehr Qualität auf der Bank hat und bei Boateng gegen Tousart schwang wohl eher Verzweiflung als ein ernsthafter Plan mit. Doch wen sonst hätte Trainer Schwartz einwechseln sollen?

Und so steht man am Ende mit zwar sehenswertem Fußball wieder mal mit weitgehend leeren Händen da, mit sorgenvollem Blick auf die Tabelle und in die Zukunft. Aber gerade das ist für Herthaner ja eigentlich Tagesgeschäft, denn bis auf wenige, trügerische und flüchtige Momente war es in den letzten Jahrzehnten ja selten anders als gerade wieder. Daher richtet man sich heute schon wieder ein wenig auf, freut sich auf die englische Woche und die Hoffnung, wenigstens in Stuttgart mal wieder einen wichtigen Dreier einzufahren.

HaHoHe, Euer Opa

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