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Brot und Zirkusspiele

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(opa) Als sich vor einigen Jahren unter dem Dach von ProFans die Initiative Pro 15:30 konstituierte und ihre Botschaft in die Stadien trug, ging es um den Wunsch der Fans nach einer einheitlichen Anstoßzeit um 15:30 Uhr. Gemeint war allerdings der Sonnabend, geliefert wird seitens der Veranstalter nun Dienstag um 16 Uhr, so wie gestern das U21 Spitzenspiel zwischen Deutschland und Belgien, wo der eine oder andere Herthaner zu begutachten war.

Nun mag es für den pandemiebedingt zum Fernsehen schauen verdammten Fan auf den ersten Blick vorteilhaft wirken, dass es zu nahezu jeder Zeit irgendein Fußballspiel zu sehen gibt, die gefühlte Begehrlichkeit, die früher einmal Länderspiele oder Spiele der eigenen Mannschaft auslösten, scheint jedoch mit diesem Konzept des Überangebots massiv zu sinken, weil sich Begehrlichkeit eben nur über Rationierung steuern lässt. Nun mag der Fußball weit entfernt sein von einer Krise, aber das Loch, welches allein die Unterbrechung des UEFA Spielbetriebs gerissen hat, wurde gestern lt. diesem Bericht auf 575 Mio. € taxiert.

575 Mio. € hier, ein paar hundert Millionen dort und es bedarf keiner hellseherischen Fähigkeiten um zu ahnen, wo der Rotstift angesetzt werden bzw. wie man die Ausfälle kompensieren wollen wird. Der Rechtsgrundsatz “pacta servanda sunt” gilt eben auch in Pandemiezeiten und wird Spuren hinterlassen, vermutlich jedoch weniger im Profispitzenfußball als im Breitensport, dem nun noch weniger Krümel vom fetten Kuchen abfallen oder bei den Dienstleistern, deren “pacta” man ohnehin so flexibel gestaltet haben dürfte, dass die beim über den Tisch ziehen entstehende Reibungsenergie als Nestwärme empfunden werden könnte.

So könnten es auch einige Fans des Stadtrivalen empfinden, die zwar eine Art Dauerkarte erwerben können, die jedoch nur zur Teilnahme an einer Lotterie berechtigt, um eines der dort begehrten Tickets zu erlangen. Wer leer ausgeht, bekommt jedoch nicht sein Geld zurück, sondern darf das am Saisonende (!) in den hauseigenen Fanshop tragen. Warum habe ich bei solchem Gebahren eigentlich die Geschichte mit den Kühen und dem Kommunismus vor Augen, wo einer zwei Kühe besitzt, der Nachbar keine, die Regierung beide Kühe beschlagnahmt und einem die Milch verkauft, die jedoch sauer ist?

Wobei ich auch Hertha ein solches Vorgehen durchaus zugetraut hätte, lässt man doch sonst kaum eine Gelegenheit diesbezüglich aus, sich beim eigenen Anhang unbeliebt zu machen. Wobei das auch wiederum viel aussagt, wenn man es schon als Erleichterung empfindet, wenn mal nicht mit Anlauf eine Arschbombe ins nächste Fettnäpfchen macht, nachdem man sich vorher als Elefant im Porzellanladen aufgeführt hat. Aber wie schrieb ich gestern über das Gemüt des geübten Herthaners? Man erduldet und erträgt dieses “Allet wie imma”. Weil man nicht anders kann. Und weil man so wenigstens “imma wat zu meckan” hat.

Wobei als des Berliners höchstes Lob ja “kann man nich meckan” gilt, was leider auf den sportlichen Zustand der Mannschaft kaum zutrifft. Aufgrund der personellen Situation werden die Sorgen kaum kleiner. Fürs Pokalspiel werden mit Herrn Freitag (Provokations-Quarantäne) auch Jordan Torunarigha (DFB-Rassismussschutzsperre) und vermutlich auch Dedryck Boyata (Aua im Bein) wichtige Achsenspieler fehlen.

Spannend wird auch die Frage sein, welchem der beiden Torhüter die beinahe bedauernswert erscheinende Aufgabe zukommen wird, hinter sich zu greifen, wenn der Drittligaaufsteiger gegen den vor Investorenmillionen kaum laufen könnenden Big City Club feixend sein Sensationstor feiert. Aber vielleicht wird ja auch alles gut und dem Trainer fällt ein Rezept ein, wie man die Mannschaft aus der Stadt Heinrichs des Löwen standesgemäß überrennen kann.

Es gab schon einmal Saisonvorbereitungen, nach denen man euphorischer in die Saison ging. Diese Saison ist alles anders. Und diese Pandemie wird auch im Gefüge zwischen Vereinen, Verbänden und Fans die Gräben eher vertiefen. Lang lebe die Unterhaltungsindustrie, vielleicht gibt’s ja statt Relegation in Zukunft so ein wertvolles Format wie eine Art Dschungelcamp? Oder wer am schönsten singt? Ich fände ja die Idee mit der Höhle der Löwen ganz charmant. Zumindest, wenn da echte Löwen wären.

In diesem Sinne: Panem et circenses, äh, HaHoHe, Euer Opa

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