Veröffentlicht am Kategorien 2. Bundesliga, 2025, Allgemein, Spieltagsnachlese

Frankfurter Schule?

17 Kommentare lesen

(opa) Der vierte Ligasieg in Folge, der fünfte Pflichtspielsieg in Folge, alle zu Null gewonnen, das ist mal eine Serie, wo selbst der Berliner kaum mehr meckern kann. Mag ja sein, dass das gestern kein Fußball zum Erwärmen im Oly war, aber eine angelsächsische Weisheit besagt nicht umsonst, dass auf den Scorecards nun mal keine Bilder sind. Also lasst uns darüber freuen, dass Hertha im Stil eines klugen Rennpferdes eben nur so hoch springt, wie sie muss. Defensiv brannte ohnehin nie etwas an, offensiv erspielte man sich durchaus einige Chancen, verdödelte aber zu viel. Mag sein, dass einige sagen, dass das nicht für höhere Ambitionen reicht, aber immerhin Stand Freitag Abend reichte es für Tabellenplatz 4, punktgleich mit dem 3. und mit 4 Punkten Rückstand auf einen direkten Aufstiegsplatz. So, genau so müsste man nur weitersiegen, dann ist der Aufstieg kaum zu verhindern.

Auch wenn von Kapitän Reese das auffälligste mal wieder nur das Stirnband war, muss zu seiner Ehrenrettung gesagt werden, dass er kaum Bälle bekam und so nur begrenzt Möglichkeiten hatte, sich in Szene zu setzen. Immerhin dürfte das Trikot sauber wie das Stirnband geblieben sein. Und wer fünfmal in Folge zu Null siegt, hat definitiv alles richtig gemacht, weshalb Kritik auch wie Jammern auf sehr hohem Niveau erscheint. Will man Reeses derzeitiges Wirken positiv darstellen, müsste man sagen, dass er momentan dafür sorgt, dass seine Mitspieler neben ihm besser aussehen.

Herthas derzeitige Stärke ergibt sich ohnehin eher aus einer soliden Defensive als aus offensivem Hurra-Fußball. Wobei die Defensive ja nicht nur aus dem bärenstarken und mittlerweile fast bullig wirkenden Tjark Ernst und der Viererbande vor ihm besteht, die am Freitag mit Gechter und Karbownik auf den Außenpositionen und Dardai und Leistner in der Innenverteidigung beinahe in derzeitiger Bestbesetzung auflief. Nein auch Demme und Seguin hatten im defensiven Mittelfeld ihren Anteil daran, dass die Null weiter stand. Wenngleich das schon auch zu Lasten der Offensive geht, denn Hertha tat sich vorgestern schwer, Chancen zu kreieren, was auch an der eher defensiven Ausrichtung der Braunschweiger geschuldet war. Und dem Fehlen unseres 16jährigen Wundertalents Eichhorn, der seine Sperre anlässlich der 5. gelben Karte absaß.

Insofern war das eher zweitklassiges Rasenschach, was am Freitag im bitterkalten Olympiastadion dargeboten wurde, welches erstmals seit dem NFL Auftritt bespielt wurde und dafür in erstaunlich gutem Zustand war. Sonst waren nach Footballspielen immer noch die Yard-Markierungen und die üblichen Reste der Logos der Franchises zu sehen, diesmal wirkte der Rasen zwar wie “gefräst”, hatte aber keine optischen Störungen, was wohl auch auf eine zunehmende Professionalisierung der Greenkeeper schließen lässt.

Inwieweit der mittlerweile auch im Oly verlegte Hybridrasen dabei ebenfalls positiv beiträgt, entzieht sich meiner Kenntnis, aber nicht wenige dürften die legendären “Ach ist der Rasen schön grün“-Worte des Berliner Komikers Wilhelm Bendow im Kopf gehabt haben, die später von Loriot illustriert und auch einem damals jüngerem Publikum wieder bekannt wurden. Wobei sich Herthaner mit “Wo laufen Sie denn hin?” sonst öfter ein anderes Zitat aus dem Sketch fragen. An dieser Stelle seien auch andere Sketche von Wilhelm Bendow anempfohlen, die rund hundert Jahre später aktuell wirken wie damals.

Doch zurück zum Spiel im Oly, Trainer Leitl wechselte wie gewohnt nach einem Drittel der zweiten Halbzeit und legte nach wie andere bei diesen Temperaturen einen Scheit in ihren Holzofen. Wobei Grönning genau wie Schuler irgendwie nicht wärmen wollte, beide scheinen instinktiv nie dort zu stehen, wo sie stehen müssten, was allerdings auch daran liegen könnte, dass die Mitspieler sie woanders vermuten und daher nicht selten in deren Rücken passen. Aber immerhin gelang Winkler ein sehenswerter Treffer nach Vorlage durch Reese, bei dem sich nicht wenige Herthaner “Warum nicht öfter?” gefragt haben dürften. Fußball kann manchmal so einfach sein.

Weil man sich nicht mit einem zweiten Treffer belohnte, wurde es nach hinten heraus noch ein wenig spannender als nötig und erwünscht, was auch an der merkwürdigen Schiedsrichterleistung lag. Das Schiedsrichterteam um Schiri Bacher aus Rosenheim halluzinierte erst einen Handelfmeter herbei, der nach Betrachtung der Bilder zurückgenommen wurde, dann ließen sie Aydin auf dem Platz, der erst in der 65. Minute gelb sah und zwei Minuten später hätte gelb-rot sehen müssen. Die derzeitige Handspielauslegung erinnert mehr an eine philosophische Auseinandersetzung im Stil der Frankfurter Schule, getreu Adornos Motto “Es gibt kein richtiges Leben im falschen”.

Niemand kann derzeit genau sagen, was ein strafbares Handspiel ist, beinahe möchte man den Münzwurf als Entscheidungsschema vorschlagen. Das, was heute entschieden wird, ist keinesfalls präziser oder fairer als die damalige Regel, als Schiedsrichter durch die wahrgenommene Absicht über die Strafbarkeit des Handspiels entschieden haben. Das ging seinerzeit auch ohne VAR, das sollte auch heute ohne VAR möglich sein. Auch hier könnte man Adorno zitieren: “Das Halbverstandene und Halberfahrene ist nicht die Vorstufe der Bildung, sondern ihr Todfeind.”

Doch wir wollen am Totensonntag positiv enden und uns über eine beinahe historische Siegesserie freuen. Möge es in den nächsten Wochen genauso weitergehen, dann kehrt bei allen Herthanern die Hoffnung auf den Aufstieg zurück.

HaHoHe, Euer Opa

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
17 Comments
neueste
älteste
Inline Feedbacks
View all comments
17
0
Klicke hier um zu kommentieren.x