Veröffentlicht am Kategorien 2. Bundesliga, 2025, Allgemein, DFB Pokal, Nationalmannschaft, Spieltagsnachlese

60.000 können nicht irren?

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(opa) Die Kulisse war wie gemalt. Trotz Ferien fanden fast 60.000 Zuschauer ins Olympiastadion zum Freundschaftsduell mit den Gästen aus Baden. Allüberall Harmonie, auch auf den Trainerbänken, die Trainer beider Mannschaften kennen und schätzen sich seit Jahren, während drumherum reichlich Treffen zwischen Fanclubs verabredet waren. Hertha, letzte Saison das schwächste Team der Liga daheim, hätte durchaus Anlass dazu gehabt, etwas wiedergutzumachen. Sowohl für die letzte Saison, wo man in 17 Heimspielen gerade einmal 4 Siege und 17 Punkte holte, als auch für den Verkorksten Saisonauftakt, wo man ausgerechnet gegen Schlacke verlor.

Als man den topgepflegten Rasen betrat, der im Gegensatz zum dort zelebrierten Fußball Championsleagueniveau hatte, bestand noch Hoffnung, die aber schnell verflogen war. Kaum rollte der Ball, trat Dardai ein Luftloch und sorgte für die erste Chance der Karlsruher, die sich im Abschluss jedoch um den Titel der Kinderbastelschere bewarben. Chancen bot Hertha zu Genüge, genutzt haben die Karlsruher sie nicht. Abgesehen von der sprachlos machenden Defensivschwäche von Hertha performen die anderen Mannschaftsteile leider ähnlich schwach. So etwas wie Mittelfeld schien gar nicht auf dem Platz zu stehen und bei Cuisance fragte sich der ein oder andere bis zur zweiten Halbzeit, ob der überhaupt im Stadion war. Davor könnte man auch einen ganzen Bus Stürmer hinstellen, die würden nichts bringen, weil viel zu selten Bälle in die rote Zone kommen.

All das basiert auf einer Mannschaftsaufstellung, für die das Personal quasi nicht vorhanden ist. Leitls Idee, Mazas Weggang mit einer Umstellung auf 3-5-2 zu kompensieren, muss man eigentlich jetzt schon als gescheitert ansehen. Es fehlt dafür an allem, angefangen von Schienenspielern, die die Außenseiten mit Tempo und Flankensicherheit beackern bis hin zu Mittelfeldakteuren, die das Zentrum besetzen und dort präsent sind. Reese könnte Flügel, wird aber im Zentrum “verheizt” und verpufft dort wirkungslos. Krattenmacher war schon gefälliger, aber hat wegen der Doppelspitze eben auch nur halb so viele bzw. wenig Chancen. Leitl würde sich einen Gefallen tun, wenn er das Team mit Viererkette zunächst einmal defensiv stabilisiert und das Loch im Mittelfeld mit einem 4-2-3-1 zu füllen hilft.

Ist die Frage der Taktik variabel änderbar, ist das bei der Fitness nicht so einfach. Die Spieler wirkten über weite Teile des Spiels müde, statt Sprints gab es oft eher Trab, das Anlaufen des Gegners war eher angedeutet als wirkliches Gegenpressing. Wie kann das nach einer Saisonvorbereitung sein? Es war nicht übermäßig heiß oder klimatisch unangenehm, das Problem scheint entweder die allgemeine Physis zu sein oder aber irgendwas in den Köpfen der Spieler. Was immer es ist, es gefährdet nicht nur das Saisonziel, sondern im Zweifel die Existenz des Vereins. Einiges erinnert gerade an Mitte der 80er Jahre, wo man auch als Favorit galt und dann doch trotz namhaft besetzten Kaders (u.a. Andreas Köpke im Tor und Hanne Weiner in der Abwehr) in die Oberliga abstieg.

So weit soll es nicht kommen, so weit darf es nicht kommen, insofern muss nun intensiv Ursachenforschung betrieben werden, wie man das Ruder herumgerissen bekommt. Dass wir am Sonntag nicht verloren haben, lag eher am Unvermögen der Karlsruher als an der eigenen Stärke. Dass wir es mit einem nominal gut besetzten Kader nicht schaffen, guten und vor allem erfolgreichen Fußball zu spielen, ist kein neues Phänomen, aber so blutleer wie gestern ist Hertha selten zuvor aufgetreten. Selbst diejenigen, die sonst immer voran gingen und die Mannschaft mitrissen wie Reese oder Zeefuik scheinen gehemmt. Und gerade Kampfgeist wird man beim nächsten Spiel brauchen, wenn man nicht in der ersten Runde des Pokals rausfliegen will.

Gab es neben dem Wetter und der Kulisse noch etwas positives? Ja, Hertha hat mal wieder Geschichte geschrieben und mit Kennet Eichhorn den jüngsten Spieler eingesetzt, der je in der zweiten Liga aufgelaufen ist. 16 Jahre und 14 Tage ist das Talent alt, das in der 68. Minute ins kalte Wasser geworfen wurde und sein Debüt wohl auch lieber mit einem Sieg abgeschlossen hätte. So gab es halt Pfiffe zum Abpfiff nicht nur vom Schiedsrichter, sondern auch von den Rängen. Es haben sich wohl alle den Saisonauftakt anders vorgestellt.

1 Punkt aus 2 Spielen ist für die Ambitionen zu dünn und es ist auch angesichts des Personalbudgets viel zu wenig. Man wird Dinge verändern müssen, eine Disziplin, bei der man Herthas Trainer kein sonderlich großes Talent zuschreibt, der in Sachen Spielsystem als eigensinnig und eigenbrötlerisch gilt. Hier könnte sich also gewaltiges Konfliktpotential zusammenbrauen, was vom neuen Geschäftsführer moderiert werden muss. Denn auch die Spieler wollen natürlich erfolgreichen Fußball spielen.

Fabian Reese werden Nationalmannschaftsambitionen nachgesagt und Nagelsmann hat schon angedeutet, dass er sich vorstellen kann, jemanden aus der 2. Liga zu nominieren. Nur in der Form von Sonntag sollte Reese vielleicht reflektieren, wo er sportlich steht und ob er den Mannschaften so helfen kann. Dass er sich selbst zentraler sieht als seiner bisherigen Trainer und sich hier eine Sonderstellung ausbedungen hat, bildet aber keine belastbare Basis, zumal wenn das Ergebnis dann so dünne Wassersuppe wie am Sonntag ist. Und dann fällt eben auch negativ auf, dass er sich nicht aufs Fußballspielen konzentriert, sondern als Model und Influencer für Ablenkung und Mätzchen sorgt und als Kapitän den Laden nicht im Griff hat.

Es sei bei der Gelegenheit daran erinnert, dass er hier quasi einen Rentenvertrag hat, der Hertha noch sehr teuer zu stehen kommen könnte. Wenn wir jetzt in die Untergangsspirale geraten sollten und Reese nicht performt, wird es kaum Interessenten geben und er kaum Motivation verspüren, den Verein zu wechseln. Hoffen wir also alle, dass Trainer, die Mannschaft und er die Kurve kriegt, sonst brennt hier noch eher der Baum als der Herbst die ersten Blätter fallen lässt.

Jetzt volle Konzentration auf Pokal! Mit Münster haben wir zudem noch eine Rechnung offen, beide Spiele der letzten Saison haben wir verloren. Das Fanvolk dürstet nach Rache, Vergeltung und Genugtuung. Der aufgespießte Kopf des Trainers von Münster wäre das mindeste, was bei der Siegrunde im gegnerischen Stadion erwartet werden kann. Anschließend überreichen uns die Münsteraner sämtliche Schlüssel der Stadt und unterwerfen sich vollständig der Berliner Besatzung, aus der Plünderung der westfälischen Stadtkasse finanzieren wir zukünftig die Pflege der Berliner Parks. Träumen wird ja noch erlaubt sein.

In diesem Sinne kommt gut durch die Woche und denkt bei der angesagten Hitze nicht nur daran, genug zu trinken, sondern auch daran, dass wir vor zwei Wochen über 16° und Dauerregen gejammert haben. Irgendwas ist halt immer.

HaHoHe, Euer Opa

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