Veröffentlicht am Kategorien 2. Bundesliga, 2025, Allgemein, Länderspiel, Nationalmannschaft, Spieltagsnachlese

Heimtore, Heimsieg und das Haar in der Suppe

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(opa) Da schafft unsere Hertha den ersten Heimsieg gefühlt seit Einführung des Farbfernsehens und ich verpasse weite Teile des Spiels, weil ich beruflich auf dem Weg nach München war und erst Mitte der zweiten Halbzeit bewegte Bilder verfolgen konnte. Und was da zu sehen war, ließ einen am eingeblendeten Spielstand zweifeln, denn das Verwalten eines Vorsprungs ist nicht die Domäne des Hauptstadtclubs. 2:0 stand es zu diesem Zeitpunkt, spielen taten allerdings fast nur noch die Gäste und nicht wenige Herthafans dürften sich vor Sorge die Hände vors Gesicht gehalten haben, spätestens als Amenyido in der 84. Minute den Anschlusstreffer für Münster erzielte und die westfälischen Preußen danach auf den Ausgleich drückten. Der Schlusspfiff erlöste alle Bangenden von ihrem Kummer.

Guter Laune stapfte ich in Lederhosen und Tracht in Begleitung zwier eingefleischter Fans der “Sechz’ger” zur Münchner Wiesn und begann mir unter Einfluss von nah am Schankbetrug eingeschenkten Festbier im Augustinerzelt Gedanken darüber zu machen, was ich über ein Spiel schreiben soll, dessen gute Hälfte ich nicht gesehen hatte. Nach ein paar Maß fangen solche Fragen an, in den “egal” Zustand zu wechseln und so beschloss ich, die Frage für die Zeit nach der Wiesn aufzusparen, die am Sonntag ihren letzten Tag für dieses Jahr mit einem sensationellen Abschluss feierte und den ich im Marstall verbrachte, wo die Band und das Essen gut, das Bier jedoch eher schlecht war. Wenn auch die Krüge voller waren als am Tag zuvor und das regelrecht nach der Metapher mit dem halbvollen und halbleerem Glas schrie, beschloss ich, diese nicht zu verwenden.

Drei Weißwurstfrühstücke später fuhr ich gestern die 635 km von München nach Berlin und hoffte auf Inspiration, die mir jedoch geraubt wurde, weil permanent das Telefon klingelte. Auch die traditionelle Leberkässemmelpause im fränkischen Schnaittach wollte trotz imposanter Fachwerkromantik nicht zum kreativen Durchbruch führen. irgendwo rund ums Hermsdorfer Kreuz beschloss ich dann, einfach bei der Wahrheit zu bleiben und eine Art Reisetagebuch zu schreiben, das war schließlich meist beliebt und um Fußball ging es selten, um schönen oder erfolgreichen Fußball fast nie, warum sollte ich also jetzt damit anfangen?

Dazu kam, dass nach Siegen ohnehin traditioneller weniger los ist und in der Länderspielpause fast eine Art Totenruhe herrscht, also erlaube ich mir etwas mehr Beinfreiheit in der Spieltagsnachlese, öffne den Gürtel um 1-2 Löcher, strecke die Beine mit den bequemen Hausschuhen am Ende aus und lasse die Wörter herauslaufen, die mir zur aktuellen Situation einfallen. Mögen die beiden Siege der Brustlöser gewesen sein, den es brauchte, um endlich wieder in die Erfolgsspur zu kommen, die schon so außer Reichweite wirkte. Kleine Umstellungen, aber auch spielen wollende Gegner, kamen uns entgegen, gegen Teams, die uns spielen lassen wollen, könnte es noch einmal eine Delle geben.

Und Tabellenplatz 8 fühlt sich nicht so schlecht an wie die Stimmung der letzten Wochen. 6-7 Punkte Rückstand nach oben sind zudem noch aufholbar und die Niederlagen gegen Elversberg und Schlacke kann man sich retrospektiv als Niederlagen gegen die Tabellenführer schönreden, wenngleich jeder, der die Spiele gesehen hat, weiß, dass das beides keine Spitzenteams sind. Aber so ist das in der 2. Liga, es geht eng zu und wer als Favorit in die Saison reingeht, findet sich oft als Außenseiter wieder. Fast wie bei der Papstwahl. So wie Herthas Geschäftsführersuche ja auch ein langes Konklave war und man am Ende nach etlichen Absagen dann mit Dr. Görlich nicht nur weißen Rauch aufsteigen lassen konnte, sondern jemanden fand, der versucht, seine Rolle im nicht immer einfachen Spannungsfeld unseres Vereins zu finden.

Wenngleich vieles in den bisherigen Interviews weichgespülte Allgemeinplätze waren, gab es doch den einen oder anderen Aspekt, der aufhorchen ließ, dass er sich z.B. mit Sportdirektor Weber nicht immer einig ist oder welche Defizite er sieht und was er angehen möchte. Er scheint ein Mann der kleinen Schritte und des kontinuierlichen Fortschritts zu sein, kein Visionär, kein inszenierter “Macher”, eher einer, der bescheiden wirkend, aber konsequent Schritt für Schritt geht, kein Gipfelstürmer, der enttäuscht beim ersten Wölkchen am Himmel aufgibt, sondern ein Bergsteiger, der im Zweifel das Eisen in der Wand lässt. Vielleicht genau der Typ Geschäftsführer, den ein Verein wie Hertha derzeit braucht.

Wenn das immer mit Siegen in Serie einhergeht, dürfte die Kritik an ihm zudem kaum wahrnehmbar sein. Zwei Siege in Folge sind drin, ein Dritter kann dennoch nicht schaden. Genau wie etwas überzeugendere Auftritte nach Führung, aber das kann man vielleicht angesichts der Durststrecke, aus der das Team kommt, vielleicht noch nachvollziehen. Und überhaupt gibt es im Fußball ja fast immer etwas zu meckern. Man setze sich mal an einen Tisch mit Bayernfans, da könnte man denken, dass die mindestens mal gegen den Abstieg spielen und die Hälfte ihrer Spieler für zu dämlich halten, sich morgens unfallfrei die Schuhe zuzubinden.

So ist er halt, der Fußballfan, immer was zu meckern. Und der Berliner meckert ja angeblich besonders gern, weshalb es ja auch heißt, dass “nichts zu meckern” das höchste Lob sei, was ein Berliner aussprechen kann. Ganz so weit sind wir mit unserer Hertha diese Saison aber noch nicht. Und übers Nationalteam kann man dieses Jahr vortrefflich meckern, auch wenn sie zuletzt gegen Nordirland gewonnen haben, haften den Nagelsmännern noch die drei verlorenen Spiele zuvor an. Und mit Luxemburg und Nordirland trifft man auf zwei Teams, die man besiegen können sollte. Oder es gibt wieder flapsige Sprüche des Nationaltrainers gegen den weißbiertrinkenden Fragesteller. Womit wir wieder in Bayern wären, obwohl ich doch gerade erst zurück bin.

Schließen wir, freuen uns über Heimtore und einen Heimsieg und dass wir die Haare in der Suppe gefunden haben. Habe die Ehre, äh, HaHoHe, Euer Opa

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