Veröffentlicht am Kategorien 2. Bundesliga, 2024, Allgemein

Mannschaftssport

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(opa) Wer schon einmal Mannschaftssport betrieben hat, weiß, dass das Ergebnis nie an einem einzelnen hängt und ein exzellenter Einzelspieler allein noch kein gutes Team macht. Norwegen holt keine Titel, weil Erling Haaland dort spielt. Und Hertha holt eben keine Siege, nur weil Fabian Reese bei uns auf dem Platz steht, wenn das restliche Team sich nicht ebenfalls zu kollektiver Stärke aufschwingt. Und so kann sich jeder ausmalen, wie die Stimmung in der Kabine von Hertha war, wenn Kapitän Leistner davon sprach, dass man sich “offen die Meinung gesagt” habe und Fabian Reese, dass man “mit diesem Ergebnis unzufrieden sein darf und muss”. Es stimmt etwas nicht im Team, wenn das schon die durch die Presseabteilung geschönten Äußerungen sind.

Und der Trainer? Der spricht nach dem Spiel ausführlich zur Presse. Was er sagt, verstehe ich aber in weiten Teilen weder sprachlich noch inhaltlich und was ich verstehe, lässt mich ratlos zurück, wie er seine Mannschaft für den Mannschaftssport Fußball auf- und einstellen will, wenn er sich so ausdrückt.

PK nach dem Spiel

Wer das nicht ansehen möchte, hier das von youtube automatisch erzeugte Transkript (incl. aller Rechtschreibfehler)

ja dann kann ich mich noch mal
wiederholen wie die Pressekonferenz vor
dem Spiel darf man ein Braunschweig
nicht unterschätzen weil heiß
Braunschweig das ist ein Quatsch wir hab
ein Tabelle gezeigt zu die Mannschaft
die letzte zehn Spieler die sind Dritter
wir sind fünfter das hat die Spiel auch
rausgespiegelt ja die erste Halbzeit
eine gut organisierte Gegner ein sehr
schwerer Platz für die
ballbesitzermannschaft diejenige die
versucht etwas und nach die kenengelern
Phase wir hab 5 8 Minuten wirordentlich
gespielt aber nach das das war’s ja die
Gegner hat jedes Mal die Ball geklaut
jeder Spielzug war eben gefährlich weil
braunenschweig nach 6 bis 10 Sekunden
ist brennt ja Balleroberung vertikal
sehr schneller Spieler damit Probleme
gehabt und Halbzeit gehen wir Reinig war
froh das nur 100 ja so ganz große Gefahr
nicht da aber war immer in die Luft
etwas und ich habe schon 10 m vor die
Halbzeit gesagt bin ich froh mit 1
reingehen dann haben viel geändert dann
eine andere Herter BSC rausgekommen und
die erste Minute war schon zwei Ecker
riesen torschance also praktisch in eine
Minute haben mehr gemacht wie die ganze
Halbzeit und die zweite Halbzeit ich
glaube von die brunenschweiger kommt
eine konteraktion das war bis zum
Abschluss ich glaube ja musste halten
aber sonst sehr viel Abschluss sehr viel
Chance und trotzdem ich muss ich sagen
undenschit ist se Rechnung was
realistisch nach dieses Spiel weil was
du verschänkst in die erste Halbzeit da
kriegst du nie mehr vom fußballgt für
die zweite Halbzeit da war sehr viel
Chance ja zum gewinnen aber dieser
richtige große torsch war nicht da die
Gegner hat gut verteidigt die haben auch
viel gewechselt dann habe ich gedacht
durch so viele wechselung vielleicht
kommen noch einige chaosmoment aber die
waren diszipliniert und die meine
Spieler haben sie die über Zahl obwohl
man das sagt dann schimpft dann
trainiert da muss man ein zwei Kontakte
spielen die flüger bleibt außen aber
wenn zwei dre Spieler mit fünf sechs
Kontakte spielt krienüber eine Unterzahl
da wird nichts das ist gut für die
unterzahlspieler D haben das nicht bis
Ende gespielt natürlich das war nicht
mehr so viel Zeit und dadurch kann ich
nur zu meiner Kollege Glückwunsch sagen
was er hier macht und auch eine sehr
gute ST mit sehr guter Atmosphäre
eigentlich
wir müssen mit die Punkt zufrieden sein

Transkript des Eingangsstatements der PK nach dem Spiel von youtube

Der Platz sei also zu schlecht für eine Ballbesitzmannschaft, der Fußballgott bestraft eine schlechte Halbzeit (als ob das bei Hertha nicht bekannt sei) und obwohl vom Gegner eigentlich nichts kam, muss man zufrieden sein? Das steht nicht nur in ziemlichem Widerspruch zu dem, was seine Spieler ausgesagt haben, es zeigt vor allem die Diskrepanz im Mindset zwischen einem Spieler, der jedes Spiel gewinnen will und einem Trainer, der seit Monaten überzeugt ist, man müsse nicht jedes Spiel gewinnen.

Und es stellt sich die Frage, welche Informationen Reese vor seiner Vertragsverlängerung erhalten hat, vielleicht weiß er ja schon, dass ein anderer Trainer wird? Wobei das eher unwahrscheinlich scheint, denn im Doppelinterview von Interimspräsident Drescher und Geschäftsführer Herrich hat vor allem der Präsident “Kontinuität” als oberste Maxime ausgegeben. Drescher sitzt seit 2016 im Präsidium, von ihm war kein Widerspruch zu vernehmen zu den Millionenverträgen mit Tennor, Tousart, Herrn Freitag oder Bobic, Hertha ist in dieser Zeit vom Krösus zum Absteiger geworden. Wie man angesichts einer solchen Bilanz dazu kommt, ausgerechnet Kontinuität anzumahnen, bleibt ein Rätsel.

Wobei dem kontextkompetenten Leser selbstverständlich klar ist, dass er die unter dem verstorbenen Präsidenten Bernstein begonnene Konsolidierung und glaubwürdig fannäheres Auftreten gemeint gewesen sein dürften. Allerdings gehört zur Wahrheit auch, dass selbst wenn man im operativen Geschäft eine schwarze Null erwirtschaftet, dennoch weiter massiv Geld verbrannt wird und nur Zugriffe auf die zukünftige Zahlungsfähigkeit das derzeitige Überleben sichern, sei es die Stundung der Stadionmiete oder die unwürdig scheinende Prozessiererei gegen den Ex-Geschäftsführer. Es besteht daher weder für Drescher noch für Herrich Anlass, sich den Staub von den Schultern klopfen zu lassen, zumal man Reese mit der Vertragsverlängerung eine saftige Gehaltserhöhung zugesichert haben soll, wo unklar ist, wie diese finanziert werden soll.

Herrich nannte zudem den Aufstieg “alternativlos”, entweder noch diese, spätestens aber in der kommenden Saison. Wie das mit einem Trainer zusammenpassen soll, der “zwei, drei oder vier” Jahre als Zeithorizont nannte und der mit einem Punkt zufrieden ist, bei dem sein Starspieler sagt, man MUSS unzufrieden sein, bleibt offen.

Selbst, wenn man Dardai keine bösen Absichten unterstellt, ist es nun einmal so, dass auch er als Vereinsikone (mit mittlerweile leicht angeschrammten Image) Ergebnisse liefern muss. Mit Kontinuität allein wird Hertha nicht überleben bzw. schnurstracks in den Abgrund stürzen, vor dem man derzeit steht. Da sollte man von der Führungscrew etwas mehr Disziplin und vor allem das Verbreiten von Zuversicht erwarten, denn auch die Leitung eines Profivereins ist Mannschaftssport. Vielleicht sollten sie sich auch mal “ganz offen die Meinung sagen”. Vielleicht sollten sie sich bei der Gelegenheit auch fragen, welchen Eindruck das auf Mannschaftskameraden macht, wenn sich einer den Zweitligamalus im Gehalt kompensieren lässt.

Auf jeden Fall hat Hertha mit dem gestrigen Unentschieden die Chance verpasst, den Abstand nach oben zu verkürzen. Wer glaubt, dass das triste Dasein im Mittelfeld nun für Ruhe sorgen würde, sieht sich eines Besseren belehrt. Bei Hertha ist Feuer unterm Dach, das Portemonnaie brennt weiter, sportlich ist das angesichts der eingesetzten Mittel immer noch zu dünne Wassersuppe und mit dem Teamgeist scheint es auch nicht zum Besten zu stehen. Am Freitagabend haben Team und Trainer Gelegenheit zu beweisen, dass man es gegen den Ex-Club von Reese besser kann, der am Wochenende das Spitzenspiel verlor.

Woanders ist also auch nicht alles Gold, was glänzt, auch Ex-Hertha-Trainer Friedhelm Funkel ist auf seinem Unruhestandsposten nach der gestrigen 0:4 Pleite gegen Herthas Fanfreundschaftsclub KSC unter Feuer. Nur keinem Verein brennt das finanzielle Problem so wie der Hertha? Keinem? Ah, doch, da gibt es noch eine Mannschaft aus dem Ruhrpott, die gestern gegen Herthas letzten Gegner Magdeburg unterging und nur deshalb nicht in Abstiegsnot ist, weil sich andere noch sehr viel ungeschickter anstellen, zu denen neben dem FCK auch die Braunschweiger gehören, für die der Punkt gestern Gold wert war.

Auch wenn andere Probleme haben, schadet es nicht, auch auf sich zu schauen und permanent zu fragen, was man besser machen kann. Die Luft nach oben ist in jedem Fall da. Auf Dardai wartet nun eine spannende Trainingswoche, mögen die Spieler ihn besser verstehen als wir, möge es ihm gelingen, eine Mannschaft zu formen, die die Leistung auf den Platz und drei Punkte in den Sack bringt. Noch ist der alternativlose Aufstieg in dieser Saison drin. 5-8 Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz bei noch ausstehenden 11 Spielen nicht nur rechnerisch möglich aufzuholen.

Der zwölfte Mann gehört auch zur Mannschaft und steht hinter dem Team, auch wenn man sich mal “ganz offen die Meinung sagt”.

Ha Ho He, Euer Opa

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