(opa) Wer sich im Augenblick “Lebt Hertha noch?” fragt, wird sich unweigerlich an das Experiment des österreichischen Physikers Erwin Schrödinger mit seiner Katze erinnert fühlen. Laut der diesem Experiment zugrundeliegenden Quantenmechanik können sich Objekte gleichzeitig in unterschiedlichen Zuständen befinden. Hertha kann also gleichzeitig lebendig und tot sein und genau so fühlt sich die augenblickliche Situation auch an. Hertha nimmt zwar noch am Spielbetrieb der zweiten Liga teil, aber sieht dabei keinen einzigen Stich.
Der Pokalsieg in Jena war kein Brustlöser, sondern die Folge eines zwei Klassen tiefer spielenden Gegners, im Ligaalltag fällt Hertha derzeit hart. Zwar gibt es in jedem Spiel Momente, in denen Qualität, Tempo und so etwas wie eine Spielidee aufblitzt, einen Fehlpass später ist er aber wieder da, der gute alte Herthaschlendrian mit schlampigen, kniehohen Pässen in den Rücken des eigenen Mitspielers. Die Folge sind immer wieder Ballverluste und Einladungen für den Gegner das Spiel durch eigene Tore zu entscheiden.
Dass Hertha mit einer halben U23 Mannschaft aufläuft, ist dabei Teil des Wegs, für den man sich entschieden hat und der von nicht wenigen als alternativlos betrachtet wird. Andererseits sitzen mit Serdar und Lukebakio Offensivspieler bezahlt und dennoch tatenlos daheim. Drei Spiele, null Punkte, null Tore, Hertha erneut am Tiefpunkt. Die Zahl der Kommentare gestern zeigt, dass das vielen nahe zu gehen scheint.
Wie löst man sich aus einer solchen Situation? Augen zu und durch? Jetzt noch enger zusammenrücken? Immerhin scheint sich im Moment der Bobicentlassung ein Kollektiv gebildet zu haben, welches Hertha trotz aller Schwierigkeiten bereit ist, Hertha auf dem vereinbarten Weg durchs Tal der Tränen zu führen. Dass dieser Weg seinen Tiefpunkt noch nicht erreicht haben könnte, ist gestern wohl einigen schmerzhaft bewusst geworden. Dass man sich innerhalb dieses Kollektivs eingesteht, falsch gelegen zu haben oder der Aufgabe nicht gewachsen zu sein?
Denn wenn Hertha sportlich den Turnaround nicht schafft, ist es ausgeschlossen, dass der finanzielle Turnaround eines Tages zu schaffen ist, ja, dann ist sogar fraglich, ob Hertha für die Spielzeit 24/25 überhaupt eine Lizenz im Profifußball erhält. Der “Bielefelder Weg” als Optimaldarstellung hätten sich wohl auch nur die größten Pessimisten ausdenken können. Aber genau auf diesem Weg befindet sich Hertha. Ein schleichender, schmerzhafter Siechtumstod auf dem Weg in die Insolvenz?
Ob man hinter den Kulissen schon an einem Szenario Regionalliga bastelt, um den Verein nach einer Insolvenz entschuldet in die Zukunft zu führen? Wollte man den Mitgliedern und Fans die Wahrheit nicht auf einen Schlag zumuten, sondern Schritt für Schritt langsam runterkühlen? Wobei die Frage natürlich ist, wie dann das sportliche Geschehen dazu passt, denn kälter als der blutleere und mausetote Auftritt gegen Hamburg geht es ja kaum ohne Tiefkühlung.
Vielleicht sollten wir als Herthaner ja die Hoffnung auch nicht auf die Katze, sondern auf den Karton legen? Am Wochenende ist Heimspiel gegen Fürth, man darf gespannt sein, ob der Kleeblattverein aus der Stadt der ersten Bahnverbindung Deutschlands ein schlagbarer Gegner ist. Und angesichts der Tabellensituation kommt der “Lieber fünfter als Fürther”-Spruch meines Nürnberger Bekannten surreal vor, denn bei Hertha würde wohl jeder gern derzeit auf Platz 5 stehen.
Hertha steckt in der Pappschachtel des Tabellenkellers. Und noch nehmen wir am Spielbetrieb teil. Mit dem Aufstieg werden wir nichts zu tun haben. Insofern kann also gar kein Druck von außen auf dem Team lasten. Die meisten Fans sind ohnehin defätistisch und helfen sich mit Galgenhumor über die schwere Zeit. “Hertha ist, wenn man nichts erwartet und trotzdem enttäuscht ist” schrieb neulich jemand. Und wenn man enttäuscht ist, sei das positiv, hat mir mal ein Coach gesagt, denn das bedeutet, dass man sich nun nicht mehr täuscht.
HaHoHe, Euer Opa