(opa) Wäre jemand auf der Suche nach einer physikalischen Einheit zum Ausdruck von Desinteresse, dann hätte er diese in “Schiller” (abkürzung Sr) ausdrücken können, gemessen am Anteil der Anwesenden, die bei den Vorträgen von Ingo Schiller sich Richtung Kartoffelsalat stürzten, um sich die Aneinanderreihung von Euphemismen nicht antun zu müssen, mit denen der Ex-Finanzboss den Mitgliedern den Stand in Sachen Finanzen zu erläutern versuchte. Dabei hätte es sich durchaus gelohnt hinzuhören und genau hinzuschauen, denn Herthas heutige Finanzprobleme reichen weit zurück und sind mit Nachwirkungen der Deutschen Teilung oder Hauptstadtattitüden allein nicht erklärbar.
Hertha gibt seit mehr als einem Jahrzehnt Jahr für Jahr mehr Geld aus, als es einnimmt und jeder, der sich fragt, wohin denn das viele Geld wohl fließt, dürfte sich schon auf der richtigen Spur befinden. Wo eine Villa ist, ist eben auch immer ein Weg. Wer es vor einigen Jahren wagte, die wahre Tiefe des dunklen Lochs zu benennen, in der Herthas Finanzen und damit auch Herthas Zukunft versenkt wurde, wurde unsanft in die Bande gerempelt oder mit juristischen Konsequenzen bedroht. Wenn es um die Wurst geht, kennen einige keine Freunde. Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral. Nur dass man von einer halben Milliarde eben doch mehr fressen können als man nun kotzen müsste.
Man sehe mir die drastische Wortwahl nach, aber selbst der “schwäbische Gruß” eines Götz von Berlichingen wäre meist noch zu höflich, was man denen hinterherrufen sollte, die den Niedergang unseres Herzensvereins zu verantworten haben. Ausbaden müssen es die, die sich um das Amt beworben haben, dafür muss man diejenigen weder niedertreten noch in Welpenschutz nehmen, das bringen solche Ämter von allein mit sich mit. Leider konstatieren Amtsinhaber sich selbst meist mit einer positiveren Wahrnehmung als diejenigen, die außen stehen oder gern Kalif anstelle des Kalifen geworden wären.
Dass nun ausgerechnet kurz vor der Mitgliederversammlung ein Präsidiumsmitglied mit einer “Inkompetenzbegründung” hinschmeißt, welches über ein Jahrzehnt seine Fahne in den Wind gehangen und alle Inkompetenzen mitgetragen hat und damit auch mitverantwortlich für die aktuelle Lage ist, mag ein Gradmesser für das Maß der Verkommenheit sein, unter der unser Verein leidet. Leider wird auch der geschichtsträchtige Dampfer weiter unter genau dieser Verkommenheit leiden wie diejenigen, die sich haben “Aktien” andrehen lassen, um die seinerzeitige Wiederwahl des Komplementärs zu sichern. Aber wenigstens gute Grabreden konnte er wie kein anderer, da muss man ihm auch ein gewisses Maß an Kompetenz zugestehen.
60 Mio. € soll die Liquiditätslücke von Hertha in der kommenden Saison betragen. 40 Mio. € zurückzuzahlende Anleihe und 20 Mio. € Unterdeckung sowie zurückzuführende Kreditlinien, die die derzeit engagierten Banken nicht mehr verlängern wollen. Trotz sportlichem Abstiegs und einer drohenden Zweitligasaison plant man bei Hertha immer noch, jeden Monat 1,67 Mio. € mehr auszugeben als man einnimmt und wird nicht einmal rot, wenn man angesichts dieser Zahlen davon spricht, die Saison sei “durchfinanziert”. Leider rennen so viele bei diesem Thema zum Kartoffelsalat statt zu den Mistgabeln und Pechfackeln.
Der sportliche Ausverkauf wird weitergehen, der Investor wird im Zweifel nachschießen statt sich sein dreistelliges Millionenengangements im Lokus herunterspülen zu lassen und im Wesentlichen bleibt alles beim Alten. So führt man einen Verein, zumindest, wenn man in den Untergang möchte. Denn weder wird sich so eine im Profisport unabdingbare Leistungskultur entwickeln noch wird man attraktiv sein für weitere Investitionen oder Investoren, die den Fortbestand des Zirkus sicherstellen müssen, wenn man so hämisch mit dem ehemaligen Investor umgeht, wie man es am Sonntag getan hat. Hinter vorgehaltener Hand wollen auch die, die “gegen Investoren” plakatieren, Superstars und Champions League sehen statt Karl-Heinz Krummbein in der Bezirksliga gegen die Auswahl der nächsten Dönerbude.
Und so arrangiert man sich und nickt ab, dass weiter die Millionen verschwendet werden, die man im Moment nicht hat und in Zukunft wird abzahlen müssen, man wirft sich weiter Inkompetenz vor und holt die zeitlosen Stanzen der Vorgänger heraus wie “das ist jetzt nicht die Zeit, alles in Frage zu stellen” oder “Jetzt müssen wir zusammenhalten”. Wir wissen, wie so ein Endsiegwahn endet, Hoffen auf Steiner und Tod im (Tabellen-)Keller und mit einer Trümmerwüste. Vermutlich deshalb war man so erpicht darauf, dass vereinseigene Trümmerfrauen bereitstehen, denen man gestern schon einmal angekündigt hat, ihren Vereinsbeitrag zu verdoppeln.
Thomas Kroh hat in seiner Kolumne “Draufgehalten” heute die richtigen Worte gefunden. Würde man die Geschichte von Hertha als Roman veröffentlichen, würden es die Verlage wegen zu großer Realitätsferne ablehnen. Wie passend und schmerzhaft zugleich. Rechnen wir mit dem schlimmsten und hoffen wir auf das Beste. Unterhaltung und Gesprächsstoff wird noch ewig vorhanden sein.
HaHoHe, Euer Opa