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Relegationsgedanken

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(opa) Vor Beginn der noch in den allerletzten Zügen laufenden Saison galt Hertha als einer der Aufstiegskandidaten. Nicht wenige spekulierten, wie weit vor dem HSV man den Aufstieg schaffen würde, immerhin blieb Reese an Bord und ein neuer Trainer mit Offensividee sollte es richten. Dass es am Ende anders kam, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass man niemals in Abstiegsnot hätte geraten dürfen, wie auch Trainer Leitl zuletzt bestätigte, der den Klassenerhalt als reine Pflichtaufgabe betrachtete. Es kam alles anders und statt sich auf Erstligafußball freuen zu können, kämpfen heute Abend das saarländische Elversberg gegen das badische Heidenheim im Duell der Dörfer, was gleichzeitig ein Problem der 1. Liga beschreibt, die zunehmend verzwergt, während die großen und klangvollen Namen nicht selten in den unteren Ligen wiederzufinden sind.

Doch ein Teil dieser Berliner Arroganz ist eben auch ein Teil des Problems unseres Herzensvereins. Man meinte immer mehr zu sein als man tatsächlich war. Mit abgeklebter Frontscheibe fuhr man geradeaus, schaute in den Rückspiegel und sagte sich, dass bisher alles gut gegangen sei. Und so gab man auch das Geld aus, bis man sich erst mit KKR Hilfe aufhübschte und sich dann vom Bräutigam mit dem nicht ganz so kraftvollen Ten(n)or freien ließ, um die Mitgift in Rekordgeschwindigkeit zu verjubeln und am Ende sportlich in die Bedeutungslosigkeit abgestürzt wiederzufinden wie eine Crack-Prostituierte. Doch man darf den Überlebenswillen gefallener Süchtiger genausi wenig unterschätzen wie die Gier derjenigen, die am Elend gut verdienen.

So taumelt Hertha mal wieder Richtung alljährliches Zittern um die Lizenz, was gestandene Herthaner nicht wirklich schreckt, weil es irgendwie immer schon so war. Und weil der Ball weiter rollt, rollt eben auch der Euro in Richtung vermeintlicher Hoffnungsträger wie Reese, um den mittlerweile ein Personenkult entstanden ist, der rational kaum greifbar ist und der spätestens dann zum Problem wird, wenn er nicht mehr liefert und dennoch sein Geld haben möchte. Mit kolportierten knapp 2 Mio. € Grundgehalt ragt er jedenfalls aus dem Gehaltsgefüge deutlich höher heraus als zuletzt auf dem Platz. Und er wäre nicht der erste Großverdiener, der sich nach langem Knatsch die Restzahlung gerichtlich erstreiten muss. Fredi Bobic wartet bis heute auf etwas mehr als 3 Mio. € und seit heute auf eine Reaktion auf einen Vergleichsvorschlag.

Relegation wäre für Hertha ab Saisonmitte beinahe schon ein Traumziel gewesen. Wobei vom Wortursprung die Relegation ja als Bezeichnung zur Verbannung von Studenten oder Professoren von der Hochschule bezeichnete. Nun gibt es bei Hertha nicht so viele Studierte, manche meinen gar, es fehle am Intellekt, aber Relegation mit Chance auf Erstliga würde jeder mit Kusshand nehmen, weil man nur so an die TV-Geld- und Sponsorentöpfe herankommt, mit denen man sich sanieren kann. Sofern man es nicht sofort wieder ausgibt. Aber was erwartet man von einem Verein, bei dem ein Schatzmeister seinerzeit schwarz eingenommene Eintrittsgelder im Sarg schmuggeln ließ und dessen Verhandlungsgebahren häufig mit Koffern voller Bargeld einherging?

Und wer kennt ihn nicht, den von Marlene Dietrich gesungenen Evergreen “Ich hab noch einen Bargeldkoffer in Berlin”, der eindeutig nur Hertha meinen konnte und vermutlich auf der Reiseschreibmaschine in der Reichsstraße getippt worden war? Ich schweife vermutlich ab, aber in nachrichtenarmen Zeiten ist es eine echte Herausforderung, hier oben die Zeilen zu füllen. Füllen wäre auch ein gutes Stichwort, wenn es um die Kassen geht, aber Hertha traut sich ja nicht einmal, den neuen Ausrüster zu bestätigen, nicht einmal, nachdem man sich nach 26 Jahren von Nike verabschiedet hat. Dem Vernehmen nach erwartet Hertha das Castore-Schicksal, ein Ausrüster, der im Ruf steht, zweifelhafte Qualität zu liefern und dessen Verträge auffallen häufig vorzeitig gekündigt werden. Zuletzt hat das Formel 1 Team McLaren den Vertrag vorzeitig beendet.

Und da bei Hertha Vertragsauflösungen vor Vertragsbeginn eine gewisse Tradition haben, Dettmar Cramer wartet heute noch auf Franz Beckenbauer, würde es nicht wundern, wenn wir mit handgehäkelten Trikots auflaufen, weil sich ein Ausrüster ebenso wenig gefunden hat wie ein neuer Geschäftsführer. An der Front ist totale Funkstille. Die als Favoriten an die Presse durchgesteckten Kandidaten wollen scheinbar (oder anscheinend, hurdie?) nicht. Vielleicht ist Hertha auch schon wie Schrödingers Katze längst tot, man erfährt es eben nur, wenn man den Karton aufmacht?

Befürchten wir das Schlimmste und hoffen auf das Beste, damit kommt man als Herthaner am besten durchs Leben. Selbst dann, wenn Hertha einen ordentlichen Schluck aus der Pulle nimmt und den Zuschauerboom zur Durchsetzung von Preiserhöhungen nutzt. Klar, der Verein braucht Geld, aber 310 statt 299 € für Block P (plus 3,6 %) und 510 statt 469 € für Block O (plus 8,7 %) und 240 statt 199 € für die Ostkurve (plus 20,6%) – das ist schon mehr als “happig” angesichts der gezeigten Leistungen mit einer verheerenden Heimbilanz. Nicht, dass am Ende wieder jemand über das Berliner Publikum schimpft, wenn es deshalb lieber daheim bleibt, statt sich von Belgiern aufgekauftes Bremer Bier aus Zahnputzbechern zu über 5 € den halben Liter servieren zu lassen. Ich hätte Hertha da mittlerweile etwas mehr Humor zugetraut, diesen Schritt wenigstens irgendwie unterhaltsam zu moderieren.

So, nun ist hier oben voll genug, Zeit, dass ihr voll werdet. Genießt heute Abend dann mal die Dorfrelegation oder was auch immer ihr macht und denkt dabei daran, Alkohol nur verantwortungsbewusst zu Euch zu nehmen.

HaHoHe, Euer Opa

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