Veröffentlicht am Kategorien 2. Bundesliga, 2025, Allgemein, Bildungsauftrag, DFB Pokal, Spieltagsnachlese

Pilgerschritt

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(opa) In dieser Nachlese geht es um die letzten drei Spiele der englischen Woche. Gegen Kiel war man noch Team “unknackbar”, ließ defensiv kaum etwas anbrennen und dann reichte eben das eine Tor, um den Sack zuzumachen. Im Pokal gegen Lautern ließ man es krachen und fackelte ein Offensivfeuerwerk ab, von dem die Pfälzer heute noch Kopfschmerzen haben und dafür bauten wir gestern den Tabellenletzten ein wenig auf, indem wir selbst die Arbeit verweigerten. Es dürfte jedoch anzuzweifeln sein, dass es sich dabei um einen Akt christlicher Nächstenliebe in der Adventszeit handelte, auch wenn der im Titel genannte Pilgerschritt einen ursprünglich religiösen Bezug hat, wenngleich er in der Tanzliteratur eben eine Schrittfolge beschreibt, wo nach mehreren Schritten vorwärts ein Schritt rückwärts folgt.

Nach dem Stotterstart in die Saison mit unseligen Experimenten wie Dreierkette oder dem Einsatz von Reese als zentraler Stürmer ohne Vorlagengeber schien sich das Team gerade gefunden gehabt. Die kleinen Achsen funktionierten offensiv, aber vor allem auch defensiv, wie die lange Serie ohne Gegentor bewies. Insofern war einigen gestern nach Bekanntgabe der Aufstellung schon bewusst, dass die Aufstellung von Trainer Leitl ein tiefgreifenderer Eingriff war. Wobei die defensiven Schwächen nicht allein beim Torhüter oder der Innenverteidigung zu suchen sind, sondern ganz weit vorn, wo die Offensivabteilung es in einem an Arbeitsverweigerung erinnernden Akt unterließ, die Magdeburger bei deren Ballbesitz anzulaufen. Defensive beginnt im modernen Fußball da vorn.

Da auch das Mittelfeld mit Eichhorn seinen stärksten Spieler verlor, war die Statik hin und somit das DM auch keine verlässliche Haltelinie wie in den letzten Spielen. Dem Gegner stand dann nur noch eine “Vierer ohne Außen”-kette entgegen, die sowohl durch falsches Stellungsspiel zu viele Flanken zuließ und in der Zentrale unabgestimmt war, weil gleich beide Innenverteidiger der letzten Wochen ausgewechselt wurden. Statt dem zuletzt bärenstarken Duo Leistner und Dardai mussten es Gechter und Kolbe richten, wobei sie wie Torwart Ernst eben vom Rest eher im Stich gelassen wurden. Und so ging das Spiel gegen den Tabellenletzten in die Hose.

Zumal man neben den defensiven Schwächen auch offensiv auch zu wenig anbot. Cuisance erwischte einen eher gebrauchten Tag, Winkler gelang nichts und Reese bräuchte schon seit Wochen eine Pause, da er fast nur noch neben dem Platz glänzt. Schön, dass er Markenbotschafter für Bentley und mit seiner Frau karitativ tätig ist, aber das nutzt nichts, wenn es um sein Kerngeschäft geht. Er schafft seit Saisonbeginn nicht, sich als der Ausnahmefußballer zu beweisen, als der er sich selbst so gern inszeniert sieht. Darunter leidet nicht nur sein Ruf, sondern das gesamte Team und die Mätzchen, seine Mitspieler anzumotzen, obwohl er selbst mehr als eine Bogenlampe schoss, sollte er an Tagen wie gestern auch lassen.

Trainer Leitls Analyse in der PK nach dem Spiel, in dem er der Tatsache die Schuld gab, dass man in Rückstand geriet und deswegen aufmachen musste, darf hoffentlich in das selbe Reich der Fabeln verwiesen werden, mit dem er gegnerische Analysten zu verwirren suchte wie Anfang der Saison mit den angeblich vielen Verletzten, obwohl keiner der Stammspieler fehlte. Man kann das natürlich humoristisch nehmen, aber nach einem solchen Auftritt wie gegen Magdeburg war wohl keinem nach Lachen zumute.

Besonders ärgerlich ist, dass man den Abstand zu einem Aufstiegsplatz wieder vergrößert hat und das Selbstvertrauen der letzten Wochen hin zu sein scheint. Aus dem “jetzt sind wir endlich in der Spur” ist wieder Unsicherheit und Zweifel geworden, ob das am Ende zum Erreichen des großen Ziels reicht. Dass die Verantwortlichen nicht müde werden zu betonen, dass man sich auch in Liga 2 finanziell konsolidieren kann, beweist, dass man mit mehreren Szenarien zu planen scheint. Nun könnten sicher viele mit dieser Parole leben, aber das traut man sich dann doch nicht, zumal dann wieder unangenehme Fragen gestellt werden, weshalb man sich Kader und Staff leistet, der erstklassig kostet, aber zweitklassig liefert.

Mit Fürth steht zudem ein Gegner vor der Tür, bei dem es nicht nur wegen des fränkischen Dialekts unangenehm wird, sondern auch, weil sie den Moment des neuen Trainers haben und im Derby gegen die Nürnberger Zähne und Qualitäten zeigten, die es unserer wieder verunsicherten Truppe schwer machen könnten, in die Spur zurückzufinden. Noch ist natürlich nichts verloren und vielleicht kam der Dämpfer zum rechten Zeitpunkt, wenn alle die richtigen Erkenntnisse daraus ziehen.

Zu diesen Erkenntnissen sollte gehören, dass alle verstanden haben, dass man Ergebnisse wie im Pokal nicht geschenkt bekommt, sondern man auch gegen den Tabellenletzten ackern muss. Darüber hinaus, dass man nicht ohne Not eingespielte Achsen auseinanderrupfen sollte. Und dass die Schiefstände im Kader angegangen werden müssen, allen voran die Außenverteidiger sowie die Qualität des zweiten Anzugs. Gefühlt stapeln wir derzeit Innenverteidiger sowie zahnlose Stürmer.

Es bleibt spannend und vielleicht war es für die Fans auch Zeit für etwas mehr Demut, die Siege noch besser auszukosten, denn die Grenze zwischen Niederlage und Erfolg ist oft nur eine dünne Firnisschicht wie beim Willibrord-Flügelaltarbild in der Basilika der Reichsabtei Echternach in Luxemburg. Auf dass wir demnächst vor Freude wieder zu Polkamelodien umherspringen wie die Wallfahrer der Springprozession in Echternach, nach deren Bewegung der der diesem Opener die Überschrift gebende Pilgerschritt einst benannt worden sein soll…

Und falls es keinen Anlass zur freudigen Prozession gibt, hat Ulla Meinecke den für Herthaner passenden Soundtrack geliefert, der zudem sich in unser oft an den portugiesischen “Fado” melancholisch erinnerndes Liedgut einfügt:

HaHoHe, Euer Bildungsauftrag-Opa

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