Veröffentlicht am Kategorien 2. Bundesliga, 2025, Allgemein, Mitgliederversammlung

Ha- Ho- Hilf- und Hoffnungslos!

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(opa) Was am Sonnabend in den Messehallen stattfand, war nicht einfach eine Mitgliederversammlung, es war eine Machtdemonstration. Man hatte die eigenen Reihen derjenigen organisiert, die dafür sorgen, dass man auch zukünftig im kleinen Kreis darüber bestimmen kann, wie Gremien besetzt werden. Viele, die ob des üblichen Ablaufs auf Mitgliederversammlungen geplant hatten, später zu den Abstimmungen dazuzustoßen, hat man mit der kurzfristigen Änderung der Tagesordnung vor den Kopf gestoßen und das gewünschte Ergebnis erreicht. Formal mag vielleicht nichts auszusetzen sein, aber das Statement ist klar. Und verstanden worden, dass diese Vereinsführung kein Interesse daran zu haben scheint, die Gräben zuzuschütten. Die Sehnsucht nach Versöhnung, von der Bernstein sprach, scheint nicht mehr vorhanden zu sein.

Nun müssen auch diejenigen, die sich einen anderen Ausgang der Abstimmung gewünscht haben, an die eigene Nase fassen, weshalb sie nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht da waren und für ein anderes Ergebnis gesorgt haben. Abgesehen davon, dass man das Thema hybride Abstimmungen natürlich erneut aufs Tapet bekommen kann, stellt sich die Frage, wie wichtig Mitbestimmung für die meisten der zumindest behaupteten rund 60.000 Mitglieder ist, von denen allerdings 800.000 € Beiträge offen sein sollen. Was erneut die Frage aufwirft, in welchem Maße Hertha mit Karteileichen operiert, um diese Anzahl an Mitgliedern behaupten zu können, ohne gerade noch so die Unwahrheit zu behaupten. 800.000 € entsprechen knapp 10.000 Mitgliedsjahresbeiträgen von Vollzahlern. Wie viele Mitglieder hat Hertha denn überhaupt, die diesen Namen verdient haben?

Bemerkenswert war auch, dass offenbart wurde, dass aus den Mitgliedsbeiträgen des Vereins die bisher gewährten Rabatte gegenfinanziert werden, obwohl bisher behauptet wurde, dass der Mitgliedsbeitrag “zu 100 % an den Nachwuchs geht”, wie es bis heute auf der Homepage nachzulesen ist. Wenn Hertha diese Gelder anderweitig und vor allem für kommerzielle Zwecke verwendet hat, stellen sich eine ganze Reihe von Folgefragen. Fragen, die Juristen beschäftigen könnten, inwiefern z.B. dann noch eine Gemeinnützigkeit im Sinne der Abgabenordnung gegeben ist. Hier könnte für die Vereinsführung eine Tretmine lauern, über deren Ausmaß sie sich vermutlich noch nicht im Klaren ist. Und auf die sie selbst getrampelt ist.

Allerdings scheint man bei Hertha ja ohnehin gern zu prozessieren. Gegen das zuletzt ergangene Urteil im Bobic-Prozess geht man nun in Berufung und zieht das mit Zinsen und Prozesskosten bereits rund 800.000 € teure Verfahren weiter in die Länge, während man andernorts permanent darüber klagt, dass kein Geld da ist. Natürlich kann man das mit einer gewissen Dialektik zu erklären versuchen und vielleicht geht es Hertha doch schlechter als bisher kommuniziert, aber es stellt sich doch nicht nur die Frage, was man damit erreichen möchte, sondern es sollte sich auch die Frage stellen, welches Signal man damit aussenden möchte. Denn unabhängig davon, wie man zur Causa Bobic steht, muss doch der Aspekt beleuchtet werden, dass man auch in Zukunft Fachpersonal benötigt und man damit ja auch klar betont, dass man mindestens mal ohne Arbeitsrechtschutzversicherung bei Hertha keinen Vertrag unterzeichnen sollte.

Ob damit die lange Zeit begründet werden kann, die die Suche nach einem neuen Geschäftsführer benötigt hat oder ob das alles mit nichts zu tun hat, bleibt eine von vielen offenen Fragen im Zusammenhang mit der alten Dame, die sich im Würgegriff derer zu befinden scheint, die es schaffen, am Sonnabend 850 Leute zu organisieren, die gemeinsam abstimmen. Ob das dem Verein gut tut? Ob ihm das im Kerngeschäft hilft? Die kommenden Jahre werden es zeigen. Gelingt die finanzielle Konsolidierung und gelingt sportlicher Erfolg in Form des Wiederaufstiegs, mag man diesem Vorgehen Recht geben. Aber selbst wenn, es bleiben Zweifel, ob diese “Bolschewisierung” dem Verein langfristig gut tut.

Bolschewismus ist darüber definiert, dass eine Elite von Berufsrevolutionären durch eine gewaltsame Revolution die Macht ergreifen und eine “Diktatur des Proletariats” errichten muss, um eine klassenlose Gesellschaft zu schaffen. Inwiefern die Vorgänge der letzten Jahre im Verein mit dieser Definition übereinstimmen, mag jeder selbst beurteilen, aber es sollte niemanden wundern, wenn einige mindestens mal gewisse Parallelen fühlen. Demokratie, auch die in Vereinen, besteht eben nicht nur aus reiner Arithmetik. Es mag ja ausgesehen haben wie Demokratie, was gestern in der Messehalle zelebriert wurde, aber diejenigen, die etwas anderes fühlen, scheinen nicht allein zu sein.

Und so fühlen sich nicht wenige nicht nur hilflos ob der gestrigen Beschlüsse des Parteitags, äh, der Mitgliederversammlung, sondern viele resignieren und haben die Hoffnung verloren, für die der Berliner Weg einst stand und mit dem man den Verein wieder einen wollte, indem man einander achtet und Rücksicht nimmt. Das ist seit gestern nur noch Makulatur, seit gestern ist klar, dass es um Herrschaft geht. Und es ist bei Hertha wie im richtigen Leben: Die Herrschenden machen es sich am Lagerfeuer gemütlich, draußen predigen die selbsternannten Luthers ihre Thesen und was den verbliebenen bleibt, ist im Zweifel nur der Austritt, die Resignation und die Hoffnungslosigkeit.

Gestern dürfte für nicht wenige das Kapitel Hertha BSC gestorben sein. Das Lagerfeuer wärmt nur noch die, die auf Linie sind. Transparenz, für die ebenfalls der Berliner Weg stand, ist unerwünscht, genau wie die Partizipation derer, die man nicht kontrollieren kann. Das kann man machen, aber das sollte man dann auch so klar benennen, dass man eine Art “Demokratur” wünscht. Die vielgepriesene “Vielfalt”, die man sich auf die Wertefahnen plakatiert hat, scheint in den eigenen Reihen unerwünscht. Das zeigt sich exemplarisch ja nicht nur im Umgang mit Trikotfarben, sondern auch in den Methoden, mit denen man dafür sorgt, dass auch zukünftig Mitbestimmung nur durch die richtigen ausgeübt wird.

Wir Berliner wissen sehr genau, wie solche Geschichten enden, wenn vermeintliche Eliten die Geschicke bestimmen. Wir wissen, wie eine Stadt aussieht, die in Trümmern liegt. Wir wissen auch, wie es ist, wenn der Verein mal wieder am Boden liegt. Und wir vergessen nicht, wer dafür gesorgt hat. Gestern wurde ein neues Kapitel geöffnet und diejenigen, die sich nun fest im Sattel wähnen, sollten sich nicht zu sicher sein, dass sie dort auf ewig bleiben. Das Zitat “Macht führt, solange sie Maß kennt – verliert sie es, folgt ihr niemand” sollten sich einige mit Gold in Leder schlagen lassen und über dem Kamin aufhängen.

Heute ohne HaHoHe, Euer Opa

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