(opa) Was war das für ein schönes Gefühl, als man nach dem Sieg in Hannover sich endlich in der Spur wähnte. Der Trainer stellte endlich auf ein mit diesem Kader spielbares System um, sein Lieblingsspieler wurde von dessen Lieblingstrainer auf dessen zweitliebste Position gezogen und plötzlich lief das Team für die Mannschaft und zum Erfolg. Leider fehlte es gerade an letzterem dann im ersten Heimspiel nach dem Triumph und schon während des Spiels wurde ja gefrotzelt, welche Ausreden sich neben den bereits immer wieder erwähnten, aber quasi kaum vorhandenen Verletzten nun anbieten. Die Hitze, die Zuschauerkulisse, der Schiri, die tiefstehende Sonne, der grüne Rasen… Und es wurde?
Richtig, es wurde eine neue Ausrede erfunden: Diesmal waren es angeblich Coronakranke, man hätte die ganze Woche quasi nicht trainieren können. Abgesehen davon, dass das nicht ein einziger der über Hertha berichtenden Journalisten mitbekommen hat, stellt sich doch die Frage, weshalb man mit nicht fitten Spielern antritt. Und was man mit derlei faulen Ausreden bewirken mag. Jeder konnte doch sehen, dass es mehr an fußballerischen Basics gelegen hat. Was will man denn nächste Woche sagen? Dass die Oma zahnt? Der Kanarienvogel einen eingewachsenen Fußnagel hat? Der Bus zu spät kam? Diese Form der Kommunikation beleidigt ja auch irgendwie die Fans, die sich das noch Woche für Woche antun.
Trotz freiem Eintritts und gratis Eis für Kinder kamen zudem nicht einmal 45.000 Zuschauer bei bestem Wetter, die Gegengerade begann sich ab Mitte der 2. Halbzeit zu leeren, vermutlich wollten einige Eltern ihre Kinder in Sicherheit vor dem bringen, was auf dem Rasen geboten wurde, was zudem sehr viel schlimmer hätte enden können, wenn nicht wenigstens Torwart Tjark Ernst wieder einmal stark auf der Linie gewesen wäre. Ihm ist es zu verdanken, dass es “nur” beim 0:2 blieb. Ernst hat in der letzten Saison öfter Kritik einstecken müssen, nun muss man ihn loben, er hat Fortschritte gemacht, körperlich zugelegt. Was davon auf den Einfluss seiner Einsätze in der U Mannschaft des DFB und was auf Hertha entfällt, ist am Ende einerlei.
Das letzte Heimspieltor fiel übrigens am 18.5.2025, mithin vor mehr als 4 Monaten und es wird noch mindestens weitere 2 Wochen dauern, erst am 4.10. hat Hertha Gelegenheit, diese unrühmliche Serie nach dann viereinhalb Monaten zu beenden. Oder auch nicht. Und wenn nicht, dauert es dann tatsächlich exakt 5 Monate bis zur nächsten Chance. Ob dann, sollte dies eintreten, noch Trainer Leitl an der Seitenlinie steht, wird man abwarten müssen. Von dem, was zu vernehmen war, ist die Personalbesetzung Görlich, Leitl, Weber als Dreierkette auf Dauer angedacht, andererseits kann man schlechterdings die Dinge so laufen lassen bis man bei den Ausreden in der Sternenkonstellation oder dem mangelhaften Feng-Shui des Stadions angekommen ist.
Von daher dürfte es derzeit überm Friesenhaus wetterunabhängig grummeln. Grau-schwarze Wolken am Himmel, sich aufladende Spannung, die sich hoffentlich positiv auflöst, indem das Team füreinander kämpft, rennt und sich zumindest müht, Erfolge zu erzwingen. Aber so saft- und kraftlos, ideen- und konzeptlos hat man selten zuvor ein Team im Olympiastadion gesehen, das sah mehr nach Untergang als nach Aufbäumen aus und die Ausreden und Durchhalteparolen lassen nichts Gutes erahnen. Die Ruhe vor dem Sturm deutet ja nicht selten auf “Tage des Donners” hin.
Mag sein, dass die Frage “Wer soll es denn dann machen?” derzeit nicht hinreichend beantwortet werden kann und sie sich natürlich stellt. Die Zahl der Kandidaten ist abgesehen von den üblichen Verdächtigen auch dadurch limitiert, dass Hertha-Trainer und Hertha-Manager nun wahrlich kein Traumjob ist, um den sich große Namen reißen würden. Vielleicht sind wir auch noch nicht tief genug gesunken, um demütig genug zu sein, es auch mal mit neuen Namen zu versuchen, die Perspektive statt Vergangenheit zu bieten haben. Oftmals erinnert die Führung von Hertha an jemanden, der sich die Frontscheibe abgeklebt hat und nach Rückspiegelsicht lenkt, getreu dem Motto “bisher ist es gut gegangen”.
Es ist letztlich wie beim Aktieninvestment, die Vergangenheit zählt nichts, die Zukunft zählt alles. Und wie beim Investment gibt es kluge Unternehmenslenker, die aus den Trümmern etwas Neues und Zukunftsfähiges aufbauen. Und es gibt die, die das nicht können und die sich an der Tradition wie an einer Laterne festklammern, statt sich von ihr den Weg leuchten zu lassen. Die Frage ist, wo die roten Linien sind, an denen man handeln möchte. In der Vergangenheit war das nicht selten sehr spät und häufig auch zu spät. Aufstiegsfavorit wollte man sein, derzeit ist man eher in Richtung Abstieg unterwegs.
Zeit zu erkennen, dass sich etwas ändern muss. Schluss mit Ausreden! Dieses Team kann mehr, dieser Verein kann mehr, nun sind alle in der Mannschaft und drumherum gefragt, das richtige Mindset zu finden. Schafft man es zurück zu Grundtugenden, die man im Hannoverspiel gezeigt hat, ist die Wende noch möglich. Niemand würde sich darüber mehr freuen als wir Fans. Schafft man die Wende nicht, wird man die Saisonziele neu definieren und über Veränderungen nachdenken müssen, bei denen niemand tabu sein darf, ein Trainer nicht und auch ein Reese nicht.
Lasst uns gemeinsam hoffen, dass Hertha nicht der erste Dritt- oder Viertligist mit einem 70.000 Zuschauer fassenden Stadion wird.
HaHoHe, Euer Opa