Veröffentlicht am Kategorien 2. Bundesliga, 2025, Allgemein, Spieltagsnachlese

Sichergehen oder sicher gehen?

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(opa) Die gestrige Partie einzuordnen fällt schwer. Einerseits war eine Weiterentwicklung durchaus zu sehen, die sicher auch mit den personellen Wechseln in der Defensive zu tun hatten. Andererseits war nicht nur das Ergebnis mau, sondern es findet weiterhin Fußball auf eher niedrigem Niveau statt und man hatte Glück, dass der Gegner seine Chancen ebenso kläglich vergab wie man selbst. Positiv betrachtet ist Hertha wettbewerbsübergreifend seit 7 Halbzeiten unbesiegt. Ob das aber angesichts des (zwar wenig aussagekräftigen) Tabellenplatz 17 etwas nützt, sei mal dahingestellt. Zumal Trainer Leitl schon vor der Partie wieder vom Verletzungspech sprach, welches sein Team schwächen soll, aber nicht davon, ob sein Plan B irgendwie modifiziert werden müsste.

Viele Experten waren sich vor (und auch nach) der Partie einig, dass Hertha sicher zu den mit am besten individuell besetzten Mannschaften der 2. Liga gehört. Doch wie so oft geht es im Mannschaftssport nicht darum, die besten Einzelspieler zu haben, sondern daraus etwas erfolgreiches zu orchestrieren. Daran hapert es saison- und trainerübergreifend. Und, das muss zur Ehrenrettung gesagt werden, auch funktionärsübergreifend, denn egal, wer hier Präsident, Geschäftsführer oder Sportdirektor war, dieses Phänomen war unter allen ein Thema, genau wie die unterschiedlichen Halbzeitleistungen, die nicht selten mal hüh und mal hott waren.

Dennoch muss Trainer Leitl sich den Vorwurf gefallen lassen, weshalb er dem zuletzt sichtlich außer Form befindlichen Dardai den Vorzug gegenüber dem erfahrenen Kolbe in der Startelf gab. Kolbe hat in Münster schon das Team stabilisiert und war bis zu seiner Verletzung eine feste Burg, als Dardai reingeworfen wurde, wackelte man defensiv spürbarer. Ein weiterer Vorwurf ist der, dass Reese im Sturmzentrum doppelt verschenkt ist. Zum einen steht er dort zu selten und steht sich dann mit einem der äußeren Stürmer im Weg, zum anderen gibt es eben keinen Vorlagengeber. Als nach Thorsteinssons Auswechslung Reese auf links begab, wurde es zusehends besser.

Mag ja sein, dass man das “von oben” leichter erkennt als vom Spielfeldrand, aber das muss doch dem Trainer im Zeitalter von Videoanalysen einer sagen, zumal das so offensichtlich ist. So offensichtlich wie Cuisance für die 6 eine Fehlbesetzung ist oder Zeefuik und Eitschberger eben keine Schienenspieler sind und auch nicht mehr werden. Und weil das Team ohnehin schon verkrampft ist, klappt auch kaum ein geordneter Spielaufbau aus der eigenen Hälfte heraus. Das fängt beim auf der Linie starken Torhüter an, dessen Abschläge aber entweder meist beim Gegner oder im Aus landen. Und das geht weiter mit einem verkrampften Spielaufbau, der wie eine moderne Art der Dardaischen “Hintenrumscheiße” wirkt, nur, dass daraus brandgefährliche Situationen entstehen und der Ball eben zu häufig zum Gegner statt zum eigenen Mann läuft.

Mag sein, dass das alles dem fehlenden Mittelfeld geschuldet ist, aber “wir warten auf die Rückkehr von Demme” kann ja kein Konzept eines Trainerstabs sein, der siebenstellig verdient. Zumal völlig unklar ist, wann Demme wieder zur Verfügung steht. Von dem, was bekanntgegeben wurde, klingt das eher nach einer langwierigen Abwesenheit des Mittelfeldstars als nach einer schnellen Rückkehr. Und umso fraglicher ist es, wenn man in der Mitte schon nicht gut besetzt ist, weshalb man sich dann selbst der Stärken auf den Flügeln beraubt, indem man den besten Flügelspieler zentral einsetzt. Die derzeitigen Probleme wirken auch bei näherem Hinsehen sehr viel hausgemachter als erwünscht und es stellt sich umso mehr die Frage, weshalb niemand den Trainer beiseite nimmt und ihm bei der Korrektur hilft.

Man soll ja die Hoffnung nicht aufgeben, eventuell hat Hertha sich jetzt mit 7 unbesiegten Halbzeiten eine Grundlage erarbeitet, auf der man mit kleineren Korrekturen aus einer zumindest ergebnistechnisch sicheren Defensive heraus sich offensiv mehr traut und vor allem die Chancen auch mal in Tore umsetzt. Das könnte den Knoten zerschlagen und eine furiose Aufholjagd beginnen lassen. Angesichts des Drucks und der anstehenden Gegner ist viel Arbeit gefragt, die Köpfe der Spieler freizubekommen. Denn eins ist auch klar, ohne baldigen Dreier dürfte es in Berlin schnell frostig werden.

Den schlechtesten Saisonstart (den die Seite fussballdaten.de nach 5 Spieltagen definiert) hatte Hertha übrigens 1990/91 mit 1 Punkt nach 5 Spielen, den kann das Team nicht mehr unterbieten, aber ein Platz in den Top 10 dieser Rangliste ist noch möglich. Hoffentlich hat niemand Ambitionen, dort zu landen. Am besten, man gewinnt alle Spiele, wenn man sichergehen will. Ansonsten wird jemand bald sicher gehen.

HaHoHe, Euer Opa

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