(opa) Eigentlich wollte ich ja nur einen Kommentar schreiben, dann geriet der so ausführlich, dass ich mich entschlossen habe, den als Opener zu verwerten. Die Nachrichtenlage ist derzeit äußerst dünn und wird dominiert von allerlei Gerüchten, die die Zeitung mit den vier Buchstaben über alle ihre Derivate wie transfermarkt, Toralarm u.a. in der heißen Luft zu halten versucht. Okay, so eine Sportredaktion muss halt liefern, ob es am Ende stimmt oder nicht, scheint eher zweitrangig zu sein. Seguin wurde heute als “nahezu perfekt” beschrieben, nachdem es gestern noch “fast sicher” war. Mal schauen, wie nah man morgen dran ist. 400.000 € – man dürfte den einen oder anderen “dafür ist Geld da” murmeln hören. Denn auf Abgangsseite tut sich bisher noch weniger als auf Zugangsseite. Sommerflaute wie die schwüle stehende Luft am wunderschönen Hudsonriver, wo etwa 50 Meilen nördlich von New York idyllische Natur pur herrscht, ein abendlich durch den Garten des Airbnb springendes Bambi inclusive.
Wie weit verbreitet Inzest bei Rehen hierzulande ist, vermag ich nicht zu sagen, aber das mit dem Inzest kann durchaus auch körperschaftsübergreifend funktionieren, bedenkt man, dass der langjährige Präsident und Aufsichtsratsvorsitzende Bernd Schiphorst der Vater des jetzigen CEO von Sportfive ist, mit dem Hertha gerade den Vertrag verlängert hat. Man erinnere sich an die Akündigung von Schiller, man werde sich selbst vermarkten und die Provision an Sportfive sparen, um dann einige Zeit später “aus alter Verbundenheit” den Vertrag noch einmal zu verlängern und Sportfive an den TV Erlösen zu beteiligen, zu denen sie nichts beigetragen haben. Wenn wieder mal die Frage aufkommt, wo denn das viele Geld hin ist, folge man dieser Spur, die wie einst Huckleberry Finn die Spree statt dem Mississippi hinuntertreibt. Wo eine Villa ist, ist eben auch immer ein Weg. Mit Blick aufs Wasser fließt es noch besser.
Darauf einen Sekt, den unser hurdiegerdie gestern wie jeden Freitag mit seiner Gattin getrunken hat. Ich wünsche aus dem Land, in dem öffentlicher Alkoholkonsum zu empfindlichen Strafen führt, allen Sekttrinkerinnen und Sekttrinkern und ihren Gattinnen und Gatten und allen weiteren Mitrinkendinnen und Mitrinkenden (was besonders großer Quatsch ist) die von Bacchus inspirierte Erkenntnis, was für ein Quatsch die Verwendung von etwas anderem als dem klassischen generischen Maskulinum in solchem Kontext ist. Ich mach mir jetzt 21:11 Uhr Ortszeit aber noch ein Getränk auf und genieße es hinter verschlossenen Türen.
Bestätigt wurde heute, dass Sami Allagui einen neuen Titel bekommt. Koordinator wird er heißen, dass mir schon fast die Produktion neuer T-Shirts in den Fingern juckt. Bedeutet die Einrichtung dieser neuen Stelle als “Koordinator” im Umkehrschluss aber, dass Herthas Handeln intern als bislang unkoordiniert eingeschätzt wird? Das wäre ja mal ein Fortschritt, ich befürchte nur, dass man auch Zitronenfalter auf die Visitenkarte drucken könnte. Wenn er so einschlägt wie Eberts Ecken und Freistöße, dann gibt’s einen Grund zu trinken. Selbstgebranntes, direkt aus dem Kühlrohr, am besten schon mit dem Vorlauf beginnend, in der Hoffnung, möglichst rasch zu erblinden. Auch hier ist der Soundtrack des “plimperplemper” des Geldes unserer alten Dame zu vernehmen. Immerhin ist Allagui ein kunstsammelnder Schöngeist. Wenn wir schon sportlich nicht glänzen, dann haben wir sicher einen der intellektuellsten Koordinatoren Fußballdeutschlands. Und hieß es nicht, Hertha fehle es an Intelligenz?
Inwiefern Intelligenz im Falle Bobic eine Rolle spielt, ist eine spannende Frage. Wir wollten aber eine neue Verabschiedungskultur, vielleicht hat man sich ja verglichen und “Stillschweigen” vereinbart, weshalb nichts mehr zu hören ist? Das wäre angesichts der öffentlichen Schlammschlacht und des jahrelangen, unwürdigen Prozessierens dann aber doch etwas merkwürdig und zudem doch so wenig unterhaltsam. Kriegt er noch ein Abschiedsspiel und Blumen? Mitsamt anschließendem Interview mit (dem sicherheitshalber mit Vollvisierhelm und Mundschutz ausgestattetem) Uri Zahavi, der seine Frage von damals nochmal wiederholt?
Dieses Bild in meinem Kopf erzeugt Assoziationen zum American Football oder Baseball, wo Spieler entsprechende Schutzkleidung tragen. Aber der Fußball überm Teich so? Dazu kann ich nichts neues beitragen, hier dominieren American Football, Basketball, Baseball und Eishockey, irgendwo dazwischen noch Wrestling, NASCAR und die Indy 500, für alles gibt’s in fast jedem Walmart Merchandise zu kaufen. Fußballmerchandising habe ich NULL gesehen und überhaupt scheint das Interesse an der MLS eher “europäisch” zu sein. Selbst Lacrosse, Collegefootball (ich kann seit vorgestern ohne zu lügen sagen, dass ich in Harvard und Yale war) und Cesta-Punta dürfte hier populärer sein.
In den Sportsbars laufen Fußballspiele zwar (die werden auch nicht zu knapp für ihre Abos zahlen), hingucken tut aber keiner, selbst das Dragsterrennen oder Pickleball fand beim Publikum größeren Anklang. Aber es wäre ja auch langweilig, wenn es überall gleich wäre und Reisen dient ja auch immer der Bildung. Und Bildung können sie hier, die Museen sind exzellent, aber auch wahre Zeitfresser.
Vermissen werde ich:
- Atemberaubende Städte wie New York, Washington oder Boston und die unendliche Weite faszinierender Landschaften, seien es nun die Niagarafälle, der Hudsonriver oder die Farmen der Amish People.
- Die Spritpreise mit 69 ct. pro Liter, die mich dazu veranlassten, das größte, schwerste und meistverbrauchendste Fahrzeug des Autovermieters zu wählen und den 6 Meter langen und knapp 3 Tonnen schweren Trümmer mit bulligem V8 Motor mit 5,3 Litern Hubraum (was die kleinere der verfügbaren Motorisierungen darstellt) als Reisefahrzeug zu wählen, was anfangs an den aus den Simpsons berühmten Cayonero erinnert und der in Europa völlig deplatziert wäre, hier aber perfekt ist und auf der hier wirtschaftlicher zu betreiben ist als mein Hightechturbodiesel in Deutschland.
- Das an allen Ampeln mögliche Rechtsabbiegen bei Rot (außer es ist durch ein Schild verboten).
- Das sehr lässige Cruisen auf Highways und Interstates, weil alle gleich schnell fahren und man daher sehr entspannt (aber auch langsam, 70 Meilen war das höchste, was hier erlaubt war) unterwegs ist.
- Den Smalltalk, den die Amis wie kaum jemand anderer beherrschen und Deutsche mit der Frage, wie es einem geht, verwirren, weil man als Deutscher reflexartig etwas anderes als “good, how are you” antorten und zum Wehklagen über Regierung, Steuer, Wetter und die Ehefrau ansetzen will.
Nicht vermissen werde ich:
- Die Lebensmittel, entweder es ist mehrfach durchprozessierter, mikrowellentauglicher und im Dunkeln leuchtender Fertigschrott (es gibt hier sogar Wasser mit Geschmacksverstärker!) oder aber so teuer, dass man sich zum Spenden der Niere anmelden muss. Eier sind wegen der gerade stattgefundenen Vogelgrippe mit 5-8 $ für eine Packung teuer, aber auch sonst brennt einem ein normaler Einkauf ein Loch in die Tasche.
- Die Fahrkartenautomaten der Öffis in Washington, die niemand verstehen kann, selbst das herbeigerufene Servicepersonal war nicht in der Lage mir zu erklären, welche Fahrkarte ich kaufen muss. Bin dann wieder aus der U-Bahn hoch und in ein Uber gestiegen.
- Das überall gleich nach Chlor riechende und schmeckende Wasser vom Hahn, was sich zudem entweder mühsam aus der Leitung quält oder aber Marke Wasserschneider Finger abzutrennen droht.
- Den Müll des Tages. Wenn man einen Tag unterwegs ist, steht man in einem Berg Müll, weil selbst Essen “for here” in der Einwegverpackung mitsamt Einwegbesteck serviert wird, welches nochmal extra verpackt ist.
Trotzdem ein tolles Land und so preiswert wie momentan wird man kaum mehr in absehbarer Zeit herkommen können, Flüge sind meist spottbillig, der Dollar mit 88 ct ebenfalls, ein “Billigurlaub” ist das zwar nicht, aber teurer als ein Cluburlaub oder eine Kreuzfahrt ist es auch nicht. Von Unruhen oder Aufständen oder all dem Quatsch, der im Fernsehen schlimmes erzählt wird, ist im Alltag nichts mitzubekommen, weder in den Städten noch auf dem Land. Und so setzt die bittere Erkenntnis langsam ein, daher die Überschrift mit dem Sommerblues, das meine Tage hier bald gezählt sind, Sonntag geht es heim. Und die Tatsache, dann wieder näher an dem zu sein, was Herthaalltag bedeutet, lässt den Blues noch viel größer sein.
HaHoHe, Euer Opa