(opa) Mit dem ursprünglichen lateinischen Ausruf des Erschreckens oder der Besorgnis, welcher in der deutschen Kurzform sich dann zum Oh jemine oder Oh Je entwickelt hat, beginnt der heutige Opener zur Spieltagsnachlese, bei dem wir dann auch gleich zu Beginn den Bildungsauftrag erledigt haben. Nur: Was war das für ein Spiel in Bochum? Hertha das spielerisch bessere Team, drückend überlegen, Chance um Chance herausspielend und am Ende verliert man auch wegen eigenen Unvermögens dennoch 3:2 und ist der immer willkommene Aufbaugegner?
Ohne Frage muss man das Team von Trainer Leitl für den Kampfgeist loben, nach dem frühen Rückstand durch das unglückliche Eigentor von Karbownik auf den Ausgleich zu drängen. Seit dem 2:0 in der 32. Minute fand das Spiel quasi nur noch im Bochumer Strafraum statt, dennoch dauerte es viel zu lange, bis in der 72. Minute der Anschlusstreffer durch Schuler zum 3:1 fiel. Wobei man beim 3:0 der Bochumer auch locker hätte auf Stürmerfoul entscheiden können, aber ein Mann wie ein Baum wie Toni Leistner kriegt für so ein Geschubse eben kein Foul gepfiffen und Torhüter Ernst kam da auch ein wenig aus dem Mustopf.
Dass sich die Bochumer über das Dreckstor gefreut haben, vermag ich nachzuvollziehen nach deren Misere, aber eigentlich darf das nicht zählen und ich bin mir sicher, dass das in 8 von 10 Fällen vom VAR auch einkassiert worden wäre. Was mal wieder beweist, dass es nicht gerechter zugeht, sondern man sich einzig und allein einfach nicht mehr so emotional freuen kann, wenn ein Tor fällt, weil es nicht selten vorkommt, dass es sich die Schiedsrichter bis zum Wiederanstoß noch einmal überlegen. Aber so ein Dreckstor passt zum Drecks-VAR.
Letztlich muss man aber bei aller durchaus berechtigten Kritik am Unparteiischen, der erst gar keine Karten verteilte und es dann kurz vor Schluss Karten regnen ließ, festhalten, dass Hertha sich in Bochum im Wesentlichen selbst geschlagen hat. Das unglückliche Eigentor, die mehr als mangelhafte Chancenverwertung, die wieder einmal außergewöhnliche Aufstellung und das viel zu späte Wechseln von Trainer Leitl vermischen sich zu einem toxischen Brei, der die Gegner jubeln lässt und dem tapfersten Herthafan die Verzweiflung übers eigene Fandasein spüren lässt.
Na klar kann man solche Spiele auch mal verlieren, aber eigentlich muss ein Team wie Hertha die Bochumer im Vorbeigehen besiegen und sich nicht drei Dinger einschenken lassen. Zumal es auch keine sportlichen Ausreden mehr gibt, die angeblich zu Saisonbeginn fehlenden Seguin, Demme & Co. sind wieder da, das Ergebnis bleibt aber das gleiche. Hertha bringt die PS nicht auf die Straße und gefährdet angesichts der Tatsache, dass wir weiterhin zu viel Geld für zu wenig Tabellenplatz ausgeben, die eigene Existenz.
Dass der 16jährige Kenneth Eichhorn der einzige ist, der positiv aus dem Team heraussticht, spricht dabei übrigens Bände. Nach einem erfolglosen Angriff motzte der zunehmend in seinem Kapitänsamt überfordert wirkende Fabian Reese noch seine Mitspieler an, während Eichhorn als einziger einfach abdrehte und auf Position lief. Das Verhalten von Reese ist eines von vielen Problemfeldern, die Hertha derzeit hat und was erfolgreicheren Fußball verhindert. Profisport wird eben auch in den Köpfen entschieden und die Team-Mentalität wird bisweilen gedämpft, wenn einer denkt, er sei etwas Besseres.
Neun bzw. zehn Punkte Rückstand auf die beiden Aufstiegsplätze sind zwar theoretisch noch aufholbar, aber nur dann, wenn man in Serie siegt oder zumindest aus solchen Spielen wie am Samstagabend einen dreckigen Punkt mitnimmt. Realistisch ist das kaum, Hertha wird wieder mit Rekordbudget und überlegenen und teuren Einzelspielern irgendwo im Mittelfeld abschneiden und niemand wird sich darüber so recht freuen können, weil das einfach zum Leben zu wenig (und zum Sterben zu viel) ist.
Hertha etabliert sich im Mittelfeld der Liga, wohl auch, weil man sich in der Führung zu viel Mittelmaß leistet und zu viele Fans an viel zu viel naiver Fußballromantik hängen und dabei vergessen, dass es Profisport ist, in dem außer Leistung und Ergebnis nichts zählt. Wenn dann nur die Hälfte der Vorwürfe stimmen, über die die Morgenpost berichtet, dass auf der Geschäftsstelle ein Klima der Angst herrscht und Mitarbeiter sich bedroht fühlen, sollten ganz abgesehen von Sportlichen nicht nur die Alarmglocken schrillen, sondern die Köpfe all derer rollen, die dafür verantwortlich sind.
Dass der vielbeschworene “Berliner Weg” auch ein Bekenntnis zu mehr Transparenz beinhaltete, scheint ebenfalls in Vergessenheit geraten zu sein angesichts der Tatsache, dass Hertha erst lediglich ein Hintergrundgespräch anbot, um dann wie in finstersten und vergangen geglaubten Zeiten per Anwalt Drohgebärden aufzubauen, falls doch berichtet würde. Zum “Berliner Weg” sollte auch ein anderer Umgang gehören, einer, der Gräben zuschüttet und den Verein eint. Diejenigen, die sich immer wieder darauf berufen, entpuppen sich als Pharisäer und entwerten den “Berliner Weg” zu einem Claim, der genauso inhaltsleer ist wie frühere Kampagnen wie “Play Berlin” oder “Hauptstadtclub”.
Hertha ist immerhin in Sachen Skandalnudeldasein unangefochten an der Spitze. Zu Kapiteln wie illegale Handgelder, Spielabsprachen, Schwarzgeld im Sarg, in der Halbzeitpause entlassenen Trainern, Selbstinterviews, der Lolita-Affäre, den friedlichsten Spielern seit dem zweiten Weltkrieg, dem stadionbauverhindernden Datenschutzverständnis, der Big City Club Überheblichkeit, der beinahe Lizenzverweigerung und der zweimaligen Erpressung von Anleihegläubigern reiht sich nun nahtlos etwas an, was bei Außenstehenden den Eindruck erwecken könnte, den man sonst eher in der organisierten Kriminalität verorten würde.
Die nächste Mitgliederversammlung, auf der u.a. über mehr Mitbestimmung abgestimmt werden soll, dürfte turbulent werden, zumal jetzt schon klar ist, dass für viele dort mehr Mitbestimmmung nur dann gelten soll, wenn sie die gewünschten Ergebnisse mit sich bringt. Wer Demokratie jedoch nur als Gefälligkeitsbringschuld des Wählers betrachtet, sollte wenigstens so ehrlich und konsequent sein und sie gleich abschaffen.
Hertha ist lange schon fest im Würgegriff von Menschen, die den Verein lediglich als Vehikel für ihre Partikularinteressen betrachten, sei es nun, weil man
- nun selbst Kalif werden will anstelle des Kalifen oder
- meint, die einzig wahre Lehre des Fandaseins zu vertreten oder
- weil man nur monothematisch kann und jede sich stellende Frage nur mit “Stadionbau” beantworten kann.
Das war schon zu Hoeness und Gegenbauers Zeiten so, daran hat sich auch nichts geändert, nachdem man einfach einen neuen Claim drangeklebt hat und sich nun volksnäher gibt, aber die Prinzipien von Seilschaften weiter erfolgreich praktiziert, in denen sich Vetternwirtschaft in nicht unerheblichem Ausmaß ausbreiten kann und wo jeder im System irgendwie Krümel vom Kuchen abbekommt. Und wo zu viele sich selbst viel zu ernst nehmen, während Hertha immer mehr in die Bedeutungslosigkeit abgleitet.
O jesu domine statt HaHoHe, Euer Opa