(opa) Was für ein Spiel am Freitagabend und was für ein Wochenendauftakt. Der Vorteil an Freitagabendspielen ist, dass man es schon hinter sich hat und im Falle eines Sieges das Wochenende genießen kann. Das Spiel zeigte aber noch einmal deutlich, wie dünn die Grenze zwischen Überkader und Schlendrian ist. Und wie eng es in Liga 2 zugeht, in der theoretisch noch 9 Teams aufsteigen können. Nominell hätte Hertha Magdeburg jedenfalls dominieren und an die Wand spielen müssen, dennoch kassiert man ein Gegentor und auch wenn Gechter in der Nachspielzeit egalisierte, war die Luft raus.
So sehr man also nach der turbulenten und verkorksten Saison über den nunmehr rechnerisch feststehenden Klassenerhalt erleichtert sein konnte, an der retrospektiven Betrachtung der Saison dürfte kaum mehr etwas zu retten sein. Das war nix und Zeckes Kopf kann nicht ernsthaft der einzige sein, der in diesem Zusammenhang rollen sollte, dafür war der Kader viel zu unrund zusammengestellt, der erste Trainer ein Fehlgriff und durch den Trainerwechsel wird man wieder mehr Geld ausgegeben haben als man zur Verfügung hatte.
Der Schlendrian herrscht weiterhin im Friesenhaus, welches uns zum Jahreswechsel ja noch versuchte für dumm zu verkaufen, indem man gelobte, im neuen Jahr “ambitioniert und fokussiert” zu bleiben, nur um dann kurz darauf doch den Trainer zu feuern. Oder der Präsident Interviews gibt, in denen er niemals die Absicht hatte, etwas verlautbaren zu lassen und das Buch der Fremdschämmomente um ein Kapitel “bereicherte”. Egal, wie die Saison nun ausgeht, sollte auf keinen Fall zugelassen werden, dass sich einer der Verantwortlichen für das Schlamassel feiern lässt. Die Saison endet allerhöchstens mit einem blauen Auge und hat einen Aderlass zur Folge, der uns sehr weh tun wird.
Ibrahim Maza soll heute zum Medizincheck in Leverkusen sein und im Anschluss seinen Vertrag unterschreiben. Allein dieser Deal wird Hertha einen satten zweistelligen Millionenbetrag in die leere Kasse spülen, wo er jedoch sofort verdampfen wird. Also werden weitere verkauft werden müssen, darunter auch einige Leistungsträger. Ob Reese geht, wird Hertha allein nicht zu bestimmen haben. Wenn die Ablöse attraktiv genug ist und das Paket für Reese reizvoll genug, dann wird er weg sein, auch wenn er sich redlich Mühe gibt, Signale zu senden, wie gern er in Berlin bliebe, zumal sein Lieblingstrainer bei uns an der Seitenlinie steht. Aber dabei gilt es auch zu berücksichtigen, dass Reese sicher überdurchschnittlich für unsere Verhältnisse verdienen wird, was hinsichtlich der mannschaftlichen Geschlossenheit zu Problemen führen kann.
Man muss kein Prophet sein, dass Hertha zur neuen Saison mindestens zehn Spieler wird verpflichten müssen. Das kann eine Chance sein, wenn es richtig gemacht wird, das kann aber auch mächtig in die Hose gehen, zumal die zweite Liga gnadenlos eng ist. Unabhängig von der Frage, ob ein Wiederaufstieg gelingt, täte Hertha gut daran, sich so aufzustellen, dass man auch dauerhaft in Liga 2 finanziell überlebt. Das ist das einzig gute daran, dass man unterklassig spielt, wenngleich die Altlasten und insbesondere die Anleihe wie ein Mühlstein um den Hals eines Ertrinkenden wirkt.
Die Nachwirkungen der finanziellen Stunts der letzten Jahre werden jedoch noch sicher ein Jahrzehnt zu spüren sein und es wäre wünschenswert, wenn diejenigen, die “think big” propagiert haben, etwas demütiger und leiser aufträten. Neues Stadion für 200 Mio. € oder 300 Mio. €? Schluss mit diesen Tagträumen, die sich nach jetzigem Stand primär mangels eigenem Baugrund und sekundär mangels Geldgebern niemals seriös refinanzieren ließen. Machen wir das beste daraus, dass wir ein “normaler” Fußballclub sind, der bei der Stadt das Stadion mietet, so wie es die meisten Vereine der ersten 4 Ligen tun, ohne, dass sie deshalb in Schieflage geraten.
Apropos andere Vereine, es verdichten sich die Anzeichen, dass Boldt nun doch nicht kommt, zu groß sind die Differenzen. Die Tatsache, dass das öffentlich diskutiert wurde, beschädigt aber jetzt schon das Ansehen desjenigen, der den Job dann übernehmen wird. Es ist kommunikativ ein Desaster, wenn solche Personalien coram publico verhandelt werden. Demjenigen, der den Job dann übernimmt, wird ewig der Makel anlasten, nur zweite Wahl gewesen zu sein. Und es könnte einer der Gründe sein, weshalb “die Guten” einen Bogen um unseren Herzensverein machen. Wer will schon hierher, wo Chaos, leere Kassen und Zwietracht herrschen? Auch wenn es vielen schwer fällt zu glauben, aber nicht jeder in Fußballdeutschland hat ein Herz für Hertha.
Weiter geht die Fahrt dennoch, sowohl für die leckgeschlagene Hertha als auch für unser Rettungsboot. Sebastian Yradier hieß der spanische Komponist des vom kubanischen Habanero inspirierten Liedes, welchem dann der großartige Helmut Käutner den Text gab, den der blonde Hans in “Große Freiheit Nr. 7” 1944 in einer abgeänderten Fassung sang, in der keine weiße Taube mehr vorkam, ein Friedenssymbol, welches Goebbels als Kriegspropagandist nicht genehmigte. Und so wie der blonde Hans die Sehnsucht des Seemanns nach dem Meer ausdrückte, so kann man wohl die Sehnsucht des Herthaners nach Spielen seines Vereins verstehen:
Vor mir die Welt, so treibt mich der Wind des Lebens,
wein’ nicht, mein Kind, die Tränen, die sind vergebens.
La Paloma adé – äh, HaHoHe, Euer Opa