(opa) Was war das für ein Fußballfest. 60.000 Zuschauer, gefühlt ein Drittel davon die Gästemannschaft anfeuernd, trafen sich am späten Sonnabend bei spätsommerlichen Temperaturen im wunderschön illuminierten Berliner Olympiastadion unter einem beeindruckenden fast noch Vollmond. Die beste Defensive traf auf eine der bislang besten Offensiven der Liga. Es war also alles angerichtet für einen magischen Abend und so begann auch das Spiel. Hertha versuchte wie in den vergangenen Spielen loszustürmen, doch das Gegenpressing und die defensive Ordnung ließen nahezu sämtliche Versuche im Keim ersticken, was auch daran lag, dass die bislang sehr wirksamen Flügel (vor allem links mit Dudziak/Reese) von Pauli effektiv aus dem Spiel genommen wurden.
Im mit Neuzugang Bouchalakis und dem Trainersohn besetzten defensiven Mittelfeld ging nichts, obwohl von dort aus das Spielgeschehen hätte alternativ gesteuert werden müssen. Dardais bisherige Erfolgsaufstellung scheint bereits decodiert zu sein und die Schwachstellen offensichtlich. Dass der knurrige Ungar kein Meister des Ingamecoachings ist, gilt als offenes Geheimnis und so reagierte er nicht nur spät, sondern auch einfallslos, wenn nicht gar hilflos wirkend, weil weitgehend positionsgetreu gewechselt wurde, aber die Qualität dadurch nicht erhöht wurde. Einzig Scherhants Anschlusstreffer rund zehn Minuten vor Schluss gab noch einen Hoffnungsschimmer, dass da was gehen könnte.
Dass mit Pauli der bislang ungeschlagene Tabellenführer anreiste und die Regalhöhe für Zweitligaverhältnisse dann schon als Premium bezeichnet werden darf, soll allerdings nicht unterschlagen werden. Genauso wenig wie die Tatsache, dass der zweite Gegentreffer quasi ohne erkennbare Gegenwehr von den für die Verteidigung zuständigen Spielern sehr gastfreundlich begleitet wurde. Afolayans Flanke darf so gar nicht kommen und ein im Rücken von Leistner freistehender Hartel ist auch nicht akzeptabel und kann dem Trainer nicht allein angelastet werden.
Die Aufgabe wird nun darin bestehen, den Nackenschlag für das Team abzuschütteln und die Köpfe im Team für die kommende Woche freizubekommen. Das Spiel gegen die gerade abwärts taumelnde Mannschaft aus dem Ruhrpott dürfte richtungsweisender sein als der gestrige Maßstab. Die These, dass das Spiel gestern zu früh kam, teile ich aber nicht. Die Aufgabe ist für alle zu jedem Zeitpunkt gleich und Trainer Dardai hat den jetzigen Kader mittlerweile einen ganzen Monat unter Training, u.a. daran muss sich auch eine Beurteilung orientieren und 5 Niederlagen aus 8 Spielen ist gänzlich unabhängig von der Zeitpunktfrage nicht als erfolgreich zu bezeichnen.
Der Stimmung konnte das Ergebnis nur wenig anhaben. Bis zum Schluss feuerte der Anhang im Stadion, der blauweiß war, die Mannschaft an. Das vor kurzem hier erzählte Märchen, dass die Fans das Problem und viel zu kritisch seien, kann ins Reich der Fabeln verwiesen werden. Am Support kann es nicht liegen, die Probleme von Hertha sind überwiegend hausgemacht. Dass Dardai sich für unkündbar hält und entsprechend breitbeinig auftritt, mag den Anhängern des Trainers gefallen, aber auch er als Vereinsikone, deren Denkmal Schrammen hat, wird bessere Ergebnisse als bisher liefern müssen.
Positiv hervorzuheben ist, dass die Mannschaft sich nicht aufgibt und der Wille zum Aufbäumen spürbar war. Was wohl auch der Grund war, weshalb die Fans bis zum Ende das Team anfeuerten. Das machten auch die Anhänger des Gegners, die bis weit nach Abpfiff die Szenerie in Stadionnähe prägten, dass man meinen könnte, Hertha habe auswärts gespielt. Da es ja gestern “Zuordnungsprobleme” hinsichtlich meines schnippisch gemeinten Impfhinweises gab, sei an dieser Stelle noch etwas im Nachklapp erläutert. Wenngleich ich kein Anhänger der Mannschaft aus der Hansestadt bin, der Deutsche Fußball wäre spürbar ärmer ohne diesen bisweilen sehr speziellen Club und seine noch speziellere Fanszene.
Nirgendwo sonst war ich bei Auswärtsfahrten größeren Gewaltexzessen ausgesetzt. Flaschenhagel, Hetzjagden und auf der Rückfahrt körperlich überaus lädierte Mitfahrer mit lockeren Zähnen und geschwollenen Augenlidern waren regelmäßig und zu allen Zeiten eher Regel als Ausnahme. Und da ich nun nicht als Impfverweigerer bekannt bin und aus diesem eben genannten Grund empfahl ich gestern mit einem Augenzwinkern den Check des Impfstatus. Wenn da jemand in seinem Kopf einen anderen Film schiebt, fühle ich mich dafür nicht verantwortlich.
Und noch etwas nervt mich kolossal an den kultigen Kiezkickern. Da ist zum einen die omnipräsente Anhimmelung kommunistischer und antidemokratischer Politiker. Das ganze Spiel gestern waren Liebknecht und Che Guevara auf der größen Fahne des Gästeblocks zu sehen. Der eine wollte eine Räterepublik nach sowjetischem Vorbild in Deutschland installieren, der andere mordete sich durch Mittel- und Südamerika, um Menschen zu seiner Ideologie zu zwingen. Ich kann nicht nachvollziehen, weshalb man den Personenkult um diese beiden Ikonen der Kommunisten in Stadien zulässt, während man andererseits Debatten aufgezwungen erhält, weshalb nun Straßen und Plätze, die nach wirklich großen Staatsmänner benannt wurden, nun umbenannt werden sollten. #
Und der andere Aspekt, der mir an den Braunen fremd ist, ist die Tatsache, dass neben den antidemokratischen Kräften der Kurve in deren Anhang häufig gutsituierte Menschen anzutreffen sind, für die das Tragen eines St. Pauli Hoodies eher eine Attitüde als echte Überzeugung darstellen dürfte. Wer tagsüber saftige Rechnungen nach Gebührenordnungen einstreicht, die nicht nach dem “Hilfswerk Anwälte ohne Yacht” schreien, braucht aber vielleicht die Zugehörigkeit zum angeblich alternativen Club als moderner Ablass wie ein Lastenrad, welches man als vermeintlichen Ausgleich zum dicken Auto angeschafft hat. Menschen sind widersprüchlich, weshalb sollten die es nicht auch sein?
Ansonsten wünsche ich allen einen schönen Sonntag, der heute seinem Namen alle Ehre macht, morgen einen schönen Brückentag und am Dienstag uns allen einen frohen Nationalfeiertag.
HaHoHe, Euer Opa