(opa) Während ihr Euch am Samstag unserem Herzensverein widmen konntet, stand bei mir seit einigen Wochen ein anderer Termin im Kalender. Um meiner Rolle als Käpt’n unseres Rettungsboots gerecht werden zu können, habe ich meinen Bootsführerschein gemacht und darf also auch im realen Leben darum bitten, mit Käpt’n angesprochen zu werden. Und darf jetzt Geschichten von meinen Abenteuern ums Kap Horn erzählen, wie der Rum in den Fässern kochte. Zehn seemännische Knoten musste ich lernen, von denen man einige zum Retten von Personen, aber auch zum Aufknüpfen am Mast verwenden kann. Beim Kommando “Mann über Bord” (auf See wird nicht gegendert, höchstens von Sachsen, wenn sie kentern) weiß ich nun ebenfalls, was zu tun ist. Um den Übergang zu Hertha zu finden, sei darauf hingewiesen, dass Hertha nach einem einstmals stolzen Dampfer benannt ist.
Der sportliche Untergang der Hertha konnte zwar aufgehalten werden, doch der Rumpf in Sachen Finanzen ist immer noch leck. Ob ein Seeventil offen ist, die Stopfbuchse undicht oder irgendjemand ein Loch in den Rumpf gebohrt hat, ist egal. Noch ist man nicht vollgelaufen, aber es muss gepumpt und geschippt werden, um genau das zu verhindern. In wenigen Tagen dürfte die DFL das Ergebnis der Lizenzierungsverfahren bekanntgeben und dann werden wir sehen, in welchem Fahrwasser die Hertha in der kommenden Saison sich bewegen darf. Hochseetauglich ist man jedenfalls noch lange nicht. Und auf lange Zeit nicht. Hertha wird auf Jahre ein Sanierungsfall bleiben.
Umso erfreulicher, dass man endlich sportlich wieder in die Spur gefunden hat, auch wenn es am Wochenende nur zu einem Unentschieden gereicht hat. Die Bilanz von Trainer Leitl nach 5 Spieltagen ist dennoch tendenziell positiv. Und auch wenn rechnerisch der Klassenerhalt noch nicht 100 % sicher ist, sieht das sehr danach aus, dass man die Klasse wird halten können. Kein Grund, die Saison positiv zu bewerten, dafür ist man zu sehr den eigenen Ansprüchen nicht gerecht geworden. Aber Schadenbegrenzung und Turnaround sind eben auch eine Leistung, die man erst einmal schaffen muss. Der Wiedergenesung des heiligen Fabian sei Dank. Dieses Team ist abhängig von seinem Ausnahmespieler. So schön es ist, dass er da ist, so sehr zeigt das den Schiefstand im Leistungsniveau auf.
Hinter den Kulissen tuschelt man in den letzten Tagen von der Personalie Jonas Boldt. Dass man nach dieser Saison Konsequenzen ziehen wollte, hatte man ja angekündigt. Dass man sich ernsthaft mit Boldt beschäftigt, dem der Ruf anhaftet, im Laufe seiner Karriere reichlich andere Funktionäre aus dem Weg gerempelt zu haben, deutet darauf hin, dass man sich bei Hertha erneut häuten möchte. Statt familiärem, aber wenig erfolgreichen “Berliner Weg” nun also ein zurück in die Zukunft, die einst Bobic schon einmal erfolglos zu erreichen versuchte? Ob man sich diesmal im Friesenhaus klar darüber ist, dass man beim Waschen nass wird?
Nun wird man Boldt keine carte blanche mitgeben können, der Gelenkbus wird also eher in der Garage bleiben, aber anstatt altgedienter (und bequem gewordener) Herthaner wird man wohl mit der einen oder anderen Personalie frischen Wind in den Verein bekommen wollen. Andererseits muss diese Aufgabe quasi ohne Budget erledigt werden, denn Herthas Finanzen bleiben katastrophal. Man wird also nach und nach austauschen müssen, wenn Verträge auslaufen und mit dem vorhandenen Budget die Mission Wiederauferstehung der alten Dame meistern müssen. Wobei sich die Erwartungshaltung für die kommenden Jahre eher am Klassenerhalt denn am Aufstieg orientieren dürfte. Und ob das traditionell zwar leidensfähige, aber eben auch unterhaltungsbedürftige Berliner Publikum das Dasein als graue Maus mitmacht?
Wer übrigens noch den 25.7.2025 im Kalender als Tag der Stadioneröffnung stehen hat, kann umplanen. Der vom seinerzeitigen Geschäftsführer Schiller mit großem “Merken Sie sich den Tag vor”-Tammtamm angekündigte Termin wird nicht stattfinden. Und angesichts der Vereinsfinanzen wird er das auch in den nächsten Jahren nicht. Oder Jahrzehnten. Hertha wird in diesem Punkt aber ein ganz normaler Verein bleiben, die meisten Fußballvereine der ersten 3 Ligen spielen in gemieteten Stadien und die, die ein eigenes haben, ächzen nicht selten unter den Betriebs-, Modernisierungs- und Instandhaltungskosten. Eigentum verpflichtet. Oder wie es eine Bekannte neulich sagte: An einer Immobilie hat man immer zweimal Freude. Einmal an dem Tag, an dem man sie kauft, einmal an dem Tag, an dem man sie verkauft.
Und über die Schönheit von Investorenclubs kann dieser Tage auch ein anderer blauweißer bzw. weißblauer Verein augenrollend berichten. Bei 1860 München, derzeit als mittelmäßiger Drittligist unterwegs, lässt Mehrheitseigentümer Ismaik über die Presse mitteilen, dass er seine Anteile loswerden will. Er fremdelt mit der Fußballkultur hierzulande, er fremdelt mit den Fans, er fremdelt mit dem Verein. Abgesehen davon, dass es wenig sinnvoll erscheint, etwas, was man für immerhin 200-300 Mio. € verkaufen möchte, so schlecht zu reden, stellt sich natürlich die Frage, weshalb er überhaupt eingestiegen ist. Eine Frage, die sich vielen Herthanern auch bei Windhorst stellte, mit dessen Geld man sich zwar hätte sanieren können, was aber besser für hochfliegende Ikarusträume von Champions League verblasen werden sollte.
Das Ergebnis ist hüben wie drüben das gleiche. Die kurzzeitig “reichen” Vereine stürzen ins Bodenlose, nachdem Fußball-Glücksritter sie ausgeplündert haben. Zurück bleiben Fans mit Erinnerungen an glanzvollere Zeiten und vermeintlich große Namen in den eigenen Reihen und als Gegner auf dem Platz. Wenigstens die Historie kann man den Vereinen nicht nehmen. Wer bei Herthas Rekordspieler Nummer 1 an Pal Dardai denkt, dem sei gesagt, dass der Ungar nur an Platz 3 steht. Michael Sziedat und Holger Brück haben mehr Spiele für Hertha absolviert. Dass das nunmehr über 40 Jahre her ist, soll den Erfolg nicht schmälern, aber auch Herthas letzte Championsleagueteilnahme ist mittlerweile auch 25 Jahre her. Gülden malt der Pinsel der Vergangenheit.
Wie kriege ich jetzt die Kurve zum Hier und Jetzt? Wo im Abstiegskampf Fußballriesen wie Ulm, Magdeburg, Fürth, Münster und Hannover warten und Fußballleckerbissen versprechen? Bonjour Tristesse? In solchen Momenten bin ich heilfroh, dass ich nicht die Opener schreiben muss, sondern nur in unser Logbuch als Kapitän des Rettungsboots.
Ahoi, äh, HaHoHe, Euer Opa