Veröffentlicht am Kategorien 2. Bundesliga, 2023, Allgemein, Trainingslager, Transfers

Exiltraining

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(opa) Exakt zwischen Lizenzvergabe und dem heutigen Trainingsauftakt bin ich mal schnell im Urlaub gewesen. Von Berlin nach Helsinki geflogen und die Stadt angesehen, von dort mit der Fähre in die ehemalige deutsche und immer noch entzückende Hafenstadt Reval (wie Tallin bis 1918 hieß), wo ich drei Tage in Geschichte und Kultur eingetaucht bin und Midsommar gefeiert habe, dann wieder zurück mit der Fähre nach Helsinki und von dort mit dem Flugzeug zurück nach Berlin. 18 Stunden Aufenthalt daheim reichen für 3 Waschmaschinen (von denen man 2 halbwegs trocken kriegt), denn ich musste schon Samstag Mittag wieder los zu Exilherthaner-Freunden in der Nähe von Bielefeld, wo ich die nächsten 4 Wochen Housesitting mache und auf die kranke Tochter aufpasse, während meine Freunde in Kanada sind, die ich dann gestern bei 32° noch zum Flughafen Frankfurt chauffiert habe, nochmal 680 km mehr.

So komme ich also erst heute dazu, pünktlich zum Trainingsauftakt einen neuen Opener zu schreiben und auch wenn ich nichts zum Training selbst schreiben kann (was angesichts fehlender Neuzugänge und dem noch nicht geöffneten Transferfenster aber verschmerzbar erscheint), versuche ich Euch, meine Einordnung der Geschehnisse der letzten Wochen mitzugeben. Der Poker um die Anleihe, der Poker um die Lizenz, die anstehenden Umbrüche, denn wer glaubt, Herthas Probleme seien ja nun gelöst, der irrt gewaltig, die meisten Probleme sind erstmal nur aufgeschoben bzw. haben sich nur noch verschlimmert.

Herthas Hauptproblem, mehr auszugeben als man einnimmt, dürfte nämlich fortbestehen. Das ist nicht nur aufgrund der normativen Kraft des Faktischen so, weil man nicht so schnell Erstligastrukturen auf preisliches Zweitliganiveau gedrückt bekommt, sondern weil es offensichtlich ein vorherrschendes “Mindset” gab bzw. immer noch gibt, in der Hoffnung auf Planaufgang so zu handeln. Nur, dass bei Hertha der Plan zu selten aufging und die Kasse mal wieder mehr als leer ist.

Und so stehen zum heutigen Trainingsauftakt nicht nur ein riesiger, sondern vor allem viel zu teurer Kader auf dem Platz von Trainer Dardai. Spieler wie Tousart und Lukebakio, aber auch die von den Leihen zurückkehrenden Schwolow und Herr Freitag dürften selbst bei eingepreisten Einbußen von x % immer noch derart über dem verdienen, was sich Hertha leisten kann, dass Zweifel an der neuen Verabschiedungskultur bestehen, weshalb man die, die diese Verträge ausgehandelt haben, mit Blumenstrauß verabschiedet hat, während man mit anderen prozessiert.

Hinsichtlich des Kaders wird wohl Geduld gefragt sein, Trainer Dardai wird eben so lange improvisieren müssen, bis klar ist, wer bleibt, wer geht und wer kommt. Am Ende werden wohl mehr gehen müssen, das gilt für die Spieler genauso wie für die Geschäftsstelle. Das ist insbesondere unter dem Aspekt des akuten Fachkräftemangels fatal, Hertha wird Schwierigkeiten bekommen, das jetzt freigesetzte Personal im Falle eines Wiederaufstiegs neu zu besetzen. Wobei es vielleicht ohnehin gesünder ist, sich dauerhaft Zweitligastrukturen wie Köpenick oder Freiburg zuzulegen, damit man finanziell gesund da steht.

Ein Zustand, von dem Hertha noch weit entfernt ist, denn die Anleihe ist zwar verlängert worden, kostet aber nun viele Millionen mehr an Zinsen und muss ja dennoch zurückgezahlt werden. Wie ein klammes Unternehmen, was schon jetzt seine Forderungen nicht bedienen kann und jedes Jahr weitere Millionen Miese macht, die Rückzahlung in zwei Jahren stemmen soll, bleibt völlig unklar. Ohne lukrative Verkäufe von allem, was man irgendwie als Tafelsilber umlügen kann, wird nichts mehr gehen. Ein Umstand, den Fans bei Transfers berücksichtigen sollten. Verständnis und Rücksicht sind dem Fan damit sicher ähnlich fremd wie Spielern und Spielerberatern, die ihr Schützlinge wie Wanderhuren im Privatjet um den Globus fliegen, um dann bei zahlungsbereiter Kundschaft zuzuschlagen. Und auch schnell wieder abzuhauen wie bei Boetius, der seine Ausstiegsklausel gezogen hat.

Man darf gespannt sein, mit welchen Spielern Hertha am Ende aufläuft, ein homogener Kader sollte aber nicht die Erwartung sein, da werden “Altlasten” genauso auf dem Platz stehen wie “No-Names” und es wird eine Herkulesaufgabe, das zu einem funktionierenden Team zusammenzuorchestrieren. Eine Fähigkeit, die in Herthas Management in letzter Zeit ebenfalls nicht sonderlich ausgeprägt war, aber man wächst ja mit seinen Herausforderungen. Oder scheitert daran.

Wer von Euch heute beim Training anwesend sein wird, dem sei gesagt, dass Eure Eindrücke herzlichst Willkommen sind. Ich überlasse Euch gern die Bühne und stürze mich jetzt in die Arbeit.

HaHoHe, Euer Opa

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