Veröffentlicht am Kategorien 1. Bundesliga, 2021, Allgemein, Spieltag

Meinungsvielfalt…?

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(opa) Seit dem gestrigen Ostermontag überschlagen sich die Ereignisse im Herthakosmos und es hat nicht ein bisschen mit dem Derby am Ostersonntag zu tun. Nein, der ungarische Torwarttrainer hat der Zeitung Magyar Nemzet ein Interview gegeben, in der er sich u.a. zu Themen wie der Haltung vieler Ungarn zu den Themen Homosexualität und Migration äußert. Dass diese im nach rund 200 Jahren türkischer Besatzung 1720 rekatholisierten Ungarn ein klein wenig anders betrachtet werden als hierzulande, sollte hinlänglich bekannt sein. Insofern verwundert es auch nur wenig, dass Zsolt Petry diesen Unterschied herausstellt.

Nun empfiehlt es sich für gewöhnlich, sich vor der inneren wie äußeren Empörung zunächst einmal das Originalinterview durchzulesen. Die beiden entscheidenden Auszüge nachfolgend:

Frage: Zu Hause hat nicht nur Fußball, sondern auch die Meinung eines der besten ungarischen Fußballspieler, Péter Gulácsis öffentliche Beteiligung an der Kampagne Familie in der Familie, viel Staub aufgewirbelt. Was halten Sie davon?

Petry: “Die Mehrheit der ungarischen Gesellschaft stimmt der liberalen Meinung von Péter Gulácsi zu Regenbogenfamilien nicht zu. Deshalb haben viele begonnen, ihn zu kritisieren, obwohl die Meinungsäußerung moralisch nicht angreifbar ist. Er stand nur zu seinen Grundsätzen. Im Prinzip kann und sollte er nicht verurteilt werden, nur weil er seine Meinung gesagt hat. Eine andere Frage ist, ob die Leute seiner Position zustimmen oder nicht. Ich weiß jedoch nicht, was Peter veranlasst haben könnte, sich für Menschen mit homosexuellen, transvestitischen und anderen Geschlechtsidentitäten einzusetzen. Ich hätte die Gemüter an seiner Stelle sicher nicht aufgewühlt.”

Frage: Haben Sie eine Meinung zu sozialpolitischen Themen? Haben Sie gerade eine nationale Seite erwähnt, sympathisieren Sie mit der konservativen Seite?

Petry: Völlig. Ich verstehe nicht einmal, wie Europa moralisch so tief sinken kann wie jetzt. Die Einwanderungspolitik ist für mich eine Manifestation des moralischen Niedergangs. Lasst uns weiterhin in Europa nach nationalen Werten leben, die wir über viele Jahre gelernt haben. Europa ist ein christlicher Kontinent. Ich zögere es, die moralische Erniedrigung auf dem gesamten Kontinent zu beobachten. Liberale übertreiben Gegenmeinungen: Wenn Sie Migration nicht für gut halten, weil Europa von sehr vielen Kriminellen überschwemmt wurde, werden Sie bereits als rassistisch eingestuft. Dies ist nicht erlaubt, die Meinung der anderen Person wird seltener toleriert, insbesondere wenn die Person eine konservative Position vertritt.

Interview mit Zsolt Petry in der Magyar Nemzet

Wer in diesen Aussagen eine Homophobie oder generelle Fremdenfeindlichkeit herausliest, sollte ggf. noch einmal lesen. Denn er spricht sich ja nicht gegen LGBTQ-Lebensformen aus, er kritisiert auch nicht das Engagement von Gulásci, sondern er drückt sein Unverständnis aus, was Gulásci veranlasst hat, sich dementsprechend entgegen der in Ungarn herrschenden Mehrheitsmeinung zu äußern und dass er sich an seiner Stelle so nicht geäußert hätte. Selbst bei google-Translator bedingten Übersetzungsunschärfen schimmert hier mehr ein Jenninger durch denn jemand, der aufs Schafott gestoßen gehört, weil man in Ungarn nicht die Regenbogenfahne hissen möchte.

Auch wenn das mittlerweile hierzulande viele nicht hören mögen: Es gibt durchaus gute Gründe, dass man zu den in Teilen unserer Bevölkerung populären Haltungskampagnen eine differenzierte Haltung hat. Und haben darf. Dieser Diskurs muss geführt werden und nicht eine einzige Meinung als alleinig richtig proklamiert werden. Schon die (wie sich später herausstellte von einer Werbeagentur ersonnene und obendrein sehr interpretationsfähige – war es nun ein Statement gegen Rassismus oder gegen den damaligen US Präsidenten?) “Take-a-knee”-Aktion hat seinerzeit eine folgende Debatte kaum möglich gemacht, weil jeder, der nicht in die Jubelarien einstimmen wollte, sofort in eine Rechtfertigungsrolle gedrängt wurde.

Um es ganz klar zu sagen: Natürlich hat jeder, der seine Sexualität über nicht traditionelle gesellschaftliche Normen definiert, ein Recht darauf, dies (im Rahmen der auch sonst geltenden gesetzlichen Grenzen wie z.B. zum Schutz Minderjähriger) zu tun und verdient den Schutz der Gesellschaft. Darüber darf es niemals zwei Meinungen geben und in diesem Sinne kann wohl auch jeder hinter dem Inhalt einer Kampagne wie “Ihr könnt auf uns zählen” stehen. Über andere Aspekte hingegen kann man durchaus unterschiedlicher Meinung sein, wenn es z.B. um Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Menschen geht. Hier schafft man – wie auch in anderen gesellschaftlichen Debatten – durch reine Gleichmacherei nämlich nicht zwingend Gerechtigkeit und auch keine Gleichberechtigung.

Wer sich mit der Geschichte Ungarns beschäftigt hat, ein Land, welches oft Spielball fremder Mächte war, der weiß auch, dass Ungarn – wie eingangs erwähnt – fast 200 Jahre von den Türken besetzt war, bevor es 1720 rekatholisiert wurde. Die Haltung des Katholizismus zu Homosexualität hat Papst Franziskus unlängst auf einer Pressekonferenz präzisiert und sie weicht nicht davon ab, was er in einem Interview im Jahr 2016 dazu gesagt hat:

Ich habe in meinem Leben als Priester, als Bischof – auch als Papst – Menschen mit homosexueller Tendenz und auch solche, die ihre Homosexualität praktizierten, begleitet. Ich habe sie begleitet, sie dem Herrn näher gebracht – einige sind dazu nicht fähig, aber ich habe sie begleitet – und nie habe ich jemanden im Stich gelassen. Das ist es, was man tun muss. Man muss die Menschen begleiten, wie Jesus sie begleitet. Wenn jemand, der in dieser Lage ist, vor Jesus tritt, wird dieser ihm sicher nicht sagen: „Pack dich fort, denn du bist homosexuell!“ Nein. 

Papst Franziskus

Die Mehrheit der ungarischen Gesellschaft dürfte dieser Haltung folgen und es erscheint schon ein klein wenig als Treppenwitz der Geschichte, wenn ausgerechnet die sich dem Dogma des sog. Antifaschismus verschriebenen Nachfahren der Besatzer des 2. Weltkriegs nun von den Ungarn verlangen, gefälligst eine andere Meinung haben zu müssen. Dieser Widerspruch dürfte schwierig aufzulösen sein.

Der andere Vorwurf gegen Petry ist ja, dass er sich fremdenfeindlich geäußert haben soll. Doch hat sich Petry wirklich fremdenfeindlich geäußert oder fällt er nicht eher der gerade en vogue zu sein scheinenden Cancel Culture zum Opfer, die es im “Konsensistan” unseres Landes verlernt hat, andere Meinungen auszuhalten? Auch hier erscheint ein Blick in die Geschichte Ungarns hilfreich. Während der türkischen Besatzung wurden Kirchen zu Moscheen und Ungarn als Sklaven in den Orient verkauft sowie das Land ins Mittelalter zurückgeworfen.

Die Art und Weise der Migrationspolitik Europas wurde und wird von vielen kritisiert und bis heute ist es nicht gelungen, hier national wie auf europäischer Ebene einen Konsens zu finden, wie man sich dazu aufstellen soll geschweige denn eine abgestimmte Einwanderungsgesetzgebung zu schaffen. Bei der Debatte darüber dürfte das, was Petry von sich gegeben hat, durchaus auch nicht so wahnsinnig weit entfernt sein von dem, was die Mehrheitsgesellschaft für richtig hält, auch wenn sie in bestimmten sozialen Medien vielleicht unterrepräsentiert ist.

Dass ausgerechnet zwei Journalisten ganz offen und vehement den Rausschmiss des Torwarttrainers fordern, um sich offensichtlich einer Klientel anzubiedern, die den Ralotius-Skandal bereits vergessen zu haben scheint, stimmt mich dabei jedenfalls bedenklicher als es das Interview von Petry tut. Es wäre angesichts der Gesamtsituation schön, würde Hertha hier eine Lösung finden, die der Mission Klassenerhalt nicht im Wege steht und die nicht zwingend am Magdeburger Platz gelöst werden muss.

Carsten Schmidt ist hier zum zweiten mal in der laufenden Saison als Krisenmanager gefordert. Hertha hat sich in seiner Philosophie klar der “Vermittlung von Werten, wie gegenseitiger Respekt, Toleranz, Fair Play, Disziplin, Ordnung, Teamgeist, Leidenschaft” verschrieben. Nun wäre es an der Zeit, mehr als Gratismut zu zeigen und sich dem bereits tobenden Shitstorm zu stellen und Teamgeist zu zeigen.

Nachtrag 13:03 Uhr: Hertha hat sich entschieden, sich von Petry zu trennen:

Den Übergang zu den drei Momenten des eher müden Derbys zu finden, ist eine ähnlich knifflige Aufgabe. Daher gibt’s hier einen harten Cut:

Das Stadion brennt!

(mal) Puh, das war schwere Kost gestern. Das Derby war dann ungefähr genauso aufregend, wie bei einigen von uns die Anspannung vor dem Spiel. Nämlich nicht vorhanden. Ich glaube vor einem Spiel ging es hier selten so wenig um Hertha und das Spiel im Allgemeinen. Genau das hat dieses Spiel dann auch gehalten. Hätten ein paar Waldmenschen nicht zu Spielbeginn Feuerwerk im hellen, ja genau im hellen, wo das dann auch immer erst richtig zur Geltung kommt, abgebrannt, man hätte Pal Dardai vor dem Spiel fast glauben können, als er gesagt hat so ein bisschen ist das wie in der Jugend. Und warum schreibe ich das? Weil wir damit auch schon bei meinem ersten Moment sind:

Stadionbrand

Ich denke das Feuerwerk wird jeder von uns gehört haben. Das es da Unterstützung vom Verein gegeben haben muss, sollte auch klar sein. Aber mal ganz ehrlich, wie blöd können alle Beteiligten gewesen sein das so zu platzieren, dass man beim Zünden dieser Konstruktion das eigene Stadion in Brand setzt?

Was ist sonst noch passiert? Nicht viel! Der heimliche Herthafan, im Hinspiel noch wegen versuchten Kopfabtretens vom Platz gestellt, konnte zeigen, dass er noch mindestens eine Sache gut kann. Schwolow konnte zeigen, dass er Bälle zur Seite abwehren kann und Guendouzi konnte zeigen, dass wenigstens er auf Blau – Weißer Seite verstanden hatte das Derby ist.

Es läuft die 28. Minute und wie über weite Strecken des Spiels, klebte an jeden Herthaner mindestens ein Unioner. In diesem Fall war es Prömel, der Guendouzi keine Luft zum Atmen ließ und ihm fleißig beackert. Irgendwann hatte dieser dann aber die Idee, sich das nicht mehr alles so bieten zu lassen und hielt mit seinem linken Unterarm, nicht Ellenbogen, dagegen und provozierte auch gleich noch eine Gelbe für Prömel mit. Damit sind wir bei meinem 2ten Moment.

Gelb Guendouzi

Oft sind es die kleinen Dinge in solch einem Spiel, die den Unterschied machen. Für mich war es eine Art Weckruf. Ab da spielte Hertha zielstrebiger aber vor allem bis zum Halbzeitpfiff auch körperlich besser. Das dies bei den Unioner gar nicht gut ankam zeigte sich nur ein paar Minuten später als wiederum Guendouzi sich so geschickt beim Anspiel positioniert hat, dass dem Friedrich, nein nicht der Arne, gar nichts weiter übrig blieb als ihm ans Bein zu treten. Den fälligen Elfer verwandelt Dodi genauso sicher, wie ich diesen Elfer als 3ten Moment sehe:

Elfmetertor Lukebakio

Die 2te Halbzeit bot dann bei gefühlt 0:0 Torschüssen und einer Hertha, die entweder mit dem Punkt zufrieden war oder einfach an diesem Tage nicht besser konnte, wenig was man noch beschreiben könnte. Aus diesem Grund verabschiede ich mich auch schon wieder, wünsche euch eine schöne Woche und freue mich auf ein besseres Spiel gegen Gladbach.

Ha Ho He, euer MaLuJeJa

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